Das geheimnisvolle Tuch
wie erkläre ich dich.“
„Moment.“ Der Winzling kramte seine Wurzel hervor und nagte ein Stückchen davon ab, dann murmelte er etwas und sagte anschließend: „So, nun bin ich unsichtbar.“
Vinc sah genauer hin und lachte. „Wohl wieder daneben gegangen? Ich jeden falls sehe dich. Sag doch dem Diener: Hallo, ich bin unsichtbar, du siehst mich nicht. Hahaha.“
Etwas ungehalten meinte Zubla: „Für dich als mein Meister bin ich sichtbar. Nur für andere nicht. Und nun lache nicht, sondern klingle. Die Kraft des Zaubers hält nur eine gewisse Zeit.“
Noch nicht so ganz überzeugt von der Kunst der Magie seines Freundes, betätigte der Junge die Glocke. Der Diener erschien und verzog keine Miene, als er Vinc sah, während wohl seinem Begleiter die Zauberei gelungen schien.
„Der junge Herr hat wohl einen Morgenspaziergang gemacht?“
Vinc war über die Frage erleichtert und nickte.
„Ihr wollt sicher frühstücken. Ich darf Euch in den Speisesaal bitten. Ich nehme an, Ihr wollt Euch die Hände vorher waschen.“
Vinc folgte den eigenartigen Blicken des Lakaien und er sah seine von Asche schwarzen Hände.
„Ja, habe da vorhin eine erloschene Fackel von der falschen Seite angefasst“, fiel ihm flugs diese Ausrede ein.
Der Butler hob die rechte Augenbraue und lächelte geheimnisvoll.
„Eigenartig“, begann Zubla ein Gespräch während der Mahlzeit. Er sah Vinc zu, wie er sich an einem frischen Brötchen ergötzte. Er als Gnom brauchte ja keine Nahrung.
„Was ist eigenartig?“, fragte Vinc interessiert.
„Die Bibliothek und der Turm. Das ist etwas anders. Damals brannte der Turm und die Bibliothek befand sich nicht im Schloss, sondern auch im Turm.“
Vinc wollte in eine frisch belegte Scheibe Brot beißen, legte sie jedoch beiseite, denn Zublas Bemerkung ließ in ihm Verwunderung aufkommen.
„Ja“, dachte Vinc nach. „Ich erinnere mich an das Feuer. Wir flüchteten mit Trixatus, Drialin und Tom nach unten und entkamen durch dieses seltsame Loch. Mann oh Mann das war damals vielleicht eine Aufregung. Und Vanessa….“ Vinc stockte. „Vanessa! Die habe ich ganz vergessen.“ Er erzählte Zubla von dem Verschwinden des Mädchens.
Vinc war der Appetit vergangen, er verließ daher schnell diesen Ort, um wieder in die Vorhalle zu gehen, dort vielleicht den Diener zu treffen, um sich nach dem Verbleib von Vanessa zu erkundigen. Als er da eintraf, sah er den Domestiken mit dem Mädchen die Treppe herunterkommen.
Aufgeregt und erleichtert lief Vinc auf seine Angebetete zu und wollte sie zur Begrüßung umarmen, doch sie sah starr an ihm vorbei.
„Was ist passiert?“ Diese Frage richtete sich eher an den Diener als an sie.
„Ich weiß es nicht, mein Herr. Ich fand das Fräulein sitzend auf der Treppe.“
„Vanessa, was ist los?“, versuchte er sie zu drängen. Sie gab keine Antwort. Ihre Augen suchten wirr in der Gegend. Sie schien zu bemüht, innerlich etwas zu bewältigen. Was hatte sie nur dermaßen erschreckt, dass sie in diesen seltsamen Geisteszustand verfiel?
Vinc nahm sie an der Hand und führte sie an einen großen Sessel im Vorraum und ließ sie Platz nehmen. Er kniete sich vor sie und sah sie schweigend an. Sie war blass und verstört. Er versuchte noch einmal, hinter die Ursache ihres Zustandes zu kommen, jedoch ohne sichtbaren Erfolg
„Ich glaube, junger Herr, wir sollten sie alleine lassen. Am besten wäre, sie ginge auf ihr Zimmer, um sich auszuruhen. Ich werde eine Zofe rufen, die dem Mädchen Gesellschaft leisten kann.“
Vinc bemerkte nicht die gespielte Sorge des Dieners und die finstere Miene, zu sehr beschäftigte ihn die Frage und die Angst um Vanessas Benehmen. Die gerufene Zofe nahm Vanessa an der Hand, sie gingen hinauf in ihr Zimmer.
„Wo haben Sie sie denn gefunden?“, fragte Vinc den Diener.
„Im oberen Geschoss, in der Nähe ihres Schlafzimmers.“ Knapp in der Antwort und mit einem missfälligem Ton beantwortete der Lakai die Frage und entfernte sich ohne weitere Worte.
„Oh. Oh“, hörte Vinc seinen kleinen Freund. „Oh, oh“, wiederholte dieser. „Ich spüre etwas sehr merkwürdiges im Wesen dieses Mannes. Ich spüre Gefahr.“
„Gefahr?“, fragte Vinc argwöhnisch. „Welche Gefahr?“
„Ich weiß noch nicht in welcher Form, aber wir sollten vorsichtiger sein. Der Diener weiß mehr als er sagt.“
„Woher willst du das wissen?“
„Mein Gefahrengehirn sagt es mir. Es ist wie bei euch Menschen der so genannte siebte
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