Das Geisterhaus
aufzuziehen, nur um ihnen das Fell über die
Ohren zu ziehen, und Pedro Segundo, weil er noch nie etwas
von der Aufzucht von Ratten gehört hatte.
Eines Abends ging der Graf ins Freie, um eine seiner
orientalischen Zigaretten zu rauchen, die er sich eigens aus dem
Libanon kommen ließ - weiß der Kuckuck, wo das liegt! wie
Trueba sagte -, und den Duft der Blumen einzuatmen, der in
Schwaden aus dem Garten kam und die Zimmer überflutete. Er
spazierte über die Terrasse und ermaß mit dem Blick die
Ausdehnung des Parks, der sich rings um das Gutshaus
erstreckte. Er seufzte, gerührt über diese verschwenderische
Natur, die in diesem vergessensten Land der Erde ihren ganzen
Reichtum aufgeboten hatte: alle Klimate, die sie je ersonnen
hatte, die Kordilleren und das Meer, Täler und höchste Gipfel,
Flüsse mit kristallklarem Wasser und eine Fauna, so gutartig,
daß man in der Gewißheit, keine giftigen Schlangen oder
hungrigen Bestien anzutreffen, vertrauensvoll Spazierengehen
konnte, und wo es, um die Perfektion vollzumachen, auch keine
rachsüchtigen Neger und wilden Indios gab. Er war es leid,
exotische Länder zu bereisen auf der Jagd nach dem Geschäft
mit Haifischflossen als Aphrodisiakum, mit dem Allheilmittel
Ginseng, mit geschnitzten Eskimofiguren, einbalsamierten
Piranhas aus dem Amazonas und Chinchillas für Pelzmäntel. Er
war achtunddreißig, so viele Jahre jedenfalls gab er zu, und
fühlte, daß er endlich das Paradies auf Erden gefunden hatte, wo
er mit einfältigen Kompagnons problemlose Unternehmen
aufziehen konnte. Er setzte sich auf einen Baumstamm, um in
der Dunkelheit zu rauchen. Plötzlich sah er einen huschenden
Schatten und hatte flüchtig die Vorstellung, es könnte ein Dieb
sein, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder, weil Räuber
in diesem Land ebenso unwahrscheinlich waren wie reißende
Tiere. Vorsichtig trat er näher, und da sah er Bianca, die die
Beine aus dem Fenster streckte, wie eine Katze an der Mauer
herabglitt und sich geräuschlos in die Hortensien fallen ließ. Sie
war als Mann gekleidet und brauchte nicht mehr nackt zu gehen,
weil die Hunde sie inzwischen kannten. Jean de Satigny sah, wie
sie sich, den Schatten des Dachs und der Bäume nutzend,
entfernte. Er wollte ihr folgen, hatte aber Angst vor den
Bulldoggen und dachte, daß es dieses Aufwands nicht bedurfte,
um zu wissen, wohin ein Mädchen geht, das nachts aus dem
Fenster springt. Er war beunruhigt, weil das, was er eben
gesehen hatte, seine Pläne gefährdete.
Am nächsten Tag hielt der Graf um Biancas Hand an.
Esteban, der keine Zeit gehabt hatte, seine Tochter richtig
kennenzulernen, verwechselte ihre gelassene Freundlichkeit und
den Eifer, mit dem sie die silbernen Leuchter auf den Tisch
stellte, mit Liebe. Er fühlte sich tief befriedigt, daß seine stets
gelangweilte und ewig kränkelnde Tochter den begehrtesten
Galan in weitem Umkreis ergattert hatte. »Was er nur an ihr
findet?« fragte er sich erstaunt. Dem Bewerber gegenüber
äußerte er, man müsse die Sache erst mit Bianca besprechen,
aber er sei sicher, daß es keine Bedenken geben werde, und was
ihn betreffe, so heiße er ihn schon jetzt in der Familie
willkommen.
Er ließ seine Tochter rufen, die zu diesem Zeitpunkt in der
Schule Geographie unterrichtete, und schloß sich mit ihr in
seinem Arbeitszimmer ein, Fünf Minuten später flog die Tür
auf, und der Graf sah das junge Mädchen mit hochrotem Kopf
herauskommen. Als sie an ihm vorüberging, warf sie ihm einen
mörderischen Blick zu und wandte den Kopf ab. Ein weniger
beharrlicher Mann hätte seine Koffer gepackt und wäre in das
einzige Hotel im Dorf gezogen, aber der Graf sagte zu Esteban,
er sei sicher, daß er die Liebe des jungen Mädchens erlangen
werde, wenn man ihm nur genügend Zeit dazu ließe. Esteban
Trueba bot ihm an, als Gast auf den Drei Marien zu bleiben,
solange er es für nötig halte. Bianca sagte nichts, aber von
diesem Tag an aß sie nicht mehr am gemeinsamen Tisch und
ließ den Franzosen bei jeder Gelegenheit spüren, daß er
unerwünscht sei. Sie räumte ihre feinen Kleider und die
silbernen Leuchter weg und ging dem Grafen sorgfältig aus dem
Weg. Ihrem Vater kündigte sie an, wenn er die Sache mit der
Heirat noch einmal erwähne, führe sie mit dem ersten Zug in die
Hauptstadt zurück und werde Novizin in ihrer Klosterschule.
»Du wirst schon noch umdenken«, brüllte Esteban Trueba.
Die Ankunft der Zwillinge auf den Drei
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