Das Geisterhaus
auf dem vergessenen Gut übernommen. Er
hatte sich daran gewöhnt, respektiert zu werden, Befehle zu
erteilen, Entscheidungen zu treffen und nur den Himmel über
sich zu haben. Mit der Ankunft des Patrons war das anders
geworden, aber er mußte zugeben, daß sie nun besser lebten, daß
sie nicht mehr hungerten und mehr Schutz und Sicherheit hatten.
Ein paarmal glaubte Trueba ein mörderisches Aufblitzen in
seinen Augen wahrzunehmen, aber eine Unverschämtheit
konnte er ihm nie vorwerfen. Pedro Segundo García gehorchte,
ohne zu mucken, arbeitete, ohne zu klagen, er war ehrlich und
schien treu zu sein. Wenn er seine Schwester Pancha mit dem
schweren Gang der befriedigten Frau im Gang des Herrenhauses
sah, senkte er den Kopf und schwieg.
Pancha García war jung und der Patron kräftig. Das
vorhersehbare Ergebnis ihrer Verbindung machte sich nach
wenigen Monaten bemerkbar. An ihren Beinen erschienen die
Adern wie Würmer unter der braunen Haut, ihre Bewegungen
wurden langsamer, ihr Blick fern, sie verlor das Interesse an den
ausgelassenen Spielen im schmiedeeisernen Bett. Ihr Bauch
wurde dick und die Brüste senkten sich unter dem Gewicht des
neuen Lebens, das in ihr heranwuchs. Esteban brauchte nicht
lange, bis er es merkte, weil er sie fast nie ansah und sie auch
nicht mehr streichelte, nachdem sich die erste Begeisterung
gelegt hatte. Er benutzte sie nur noch wie eine hygienische
Maßnahme, die ihm dazu verhalf, die tagsüber aufgestauten
Spannungen abzubauen und nachts traumlos zu schlafen. Aber
der Augenblick kam, da Panchas Schwangerschaft auch für ihn
nicht mehr zu übersehen war. Pancha wurde ihm ekelhaft. Er
sah in ihr nur noch ein riesiges Gefäß mit einer formlosen,
gelatinösen Masse darin, die er nicht als sein Kind anerkennen
konnte. Pancha zog aus dem Herrenhaus aus und kehrte in die
Hütte ihrer Eltern zurück, die ihr keine Fragen stellten. Sie
arbeitete weiter in der Küche des Patrons, knetete, täglich
formloser durch die Mutterschaft, den Brotteig und nähte auf der
Maschine. Sie bediente Esteban nicht mehr bei Tisch, und er
vermied Begegnungen mit ihr, da sie nichts mehr gemeinsam
hatten. Eine Woche nachdem sie sein Bett verlassen hatte,
träumte er wieder von Rosa und erwachte auf feuchten
Leintüchern. Er blickte durchs Fenster und sah ein schmales
Mädchen, das frisch gewaschene Wäsche aufhängte. Sie konnte
nicht älter als dreizehn oder vierzehn sein, war aber voll
entwickelt. In diesem Augenblick drehte sie sich um und sah ihn
an: sie hatte den Blick einer Frau.
Pedro Garcia sah den Patron pfeifend zum Stall gehen und
wiegte unruhig den Kopf.
In den folgenden zehn Jahren wurde
Esteban Trueba der
angesehenste Gutsbesitzer in der ganzen Gegend, er baute
Ziegelhäuser für seine Arbeiter, er bekam einen Lehrer für seine
Schule, er hob auf seinem Gebiet den Lebensstandard aller. Die
Drei Marien waren ein gutes Geschäft, das keiner Zuschüsse aus
der Goldader bedurfte, das im Gegenteil bei der Verlängerung
der Konzession auf die Mine als Garantie diente. Truebas
Jähzorn wurde legendär und nahm solche Ausmaße an, daß es
ihm selber lästig wurde. Niemand durfte den Mund aufmachen,
er duldete keinen Widerspruch und betrachtete jede
abweichende Meinung als Provokation. Auch seine Geilheit
nahm zu. Kein Mädchen schaffte den Übergang von der
Pubertät ins Erwachsenenalter, ohne daß sie den Wald, das
Flußufer oder das schmiedeeiserne Bett zu schmecken bekam.
Wenn in den Drei Marien keine Frauen verfügbar waren,
verfolgte er die von andern Hacienden, vergewaltigte sie im
Handumdrehen irgendwo im Feld, meistens gegen Abend. Er
kümmerte sich nicht einmal darum, daß es im verborgenen
geschah, da er niemanden zu fürchten hatte. Gelegentlich kam
ein Bruder, ein Vater, ein Ehemann oder ein Gutsbesitzer auf die
Drei Marien, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen, aber
angesichts seiner hemmungslosen Zornausbrüche wurden diese
um der Gerechtigkeit oder der Rache willen unternommenen
Besuche immer seltener.
Unter den Machos seiner Gesellschaftsklasse lö ste der Ruf
seiner Brutalität, der sich in der ganzen Gegend verbreitete,
neidvolle Bewunderung aus. Die Bauern versteckten ihre
Mädchen und ballten die Faust - vergeblich, da sie gegen ihn
nicht aufkommen konnten. Esteban Trueba war der Stärkere und
er genoß Straffreiheit. Zweimal wurden die Leichen von Bauern
anderer Hacienden gefunden, von Schüssen durchsiebt, und
niemand zweifelte daran,
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