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Das Gelübde

Titel: Das Gelübde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Gedichte, setzte unsinnige Briefe an meinen Bruder auf: Lieber Christian, du hattest recht, die ganze Zeit recht –
    ich habe meinen Glauben wiedergefunden. Glauben an was?
    An den Rockschoß einer Frau, an den Geruch ihres Geschlechts.
    Ich war nahe daran, zu verzweifeln, vor Panik und vor unterdrückter Lust, als mich der Schlaf überkam. Und mit dem Schlaf nahm ihr Schatten Gestalt an, gewann ihr Spiegelbild an Form. So kam sie zu mir. Endlich, endlich: sie!
    Sie saß auf meinem Schoß, ihr Gesäß ganz warm auf meinen Schenkeln. Mein Kopf lag über ihren Brüsten, die Stirn an die kleine Senke unter ihrem Hals gepreßt. Träumend schaute ich an ihr hinab, an einem Leib wie aus Elfenbein, betrachtete ihre hellbraunen Brustwarzen, die zart an meinem Körper rieben, die unmerkliche Kontur ihres Bauches und das Vlies aus dunklem Haar, das zwischen ihren geöffneten Schenkeln zu einem Dreieck auslief; es erinnerte mich an die Drachen, die ich am Himmel erblickt hatte, ebenso mysteriös und voll schlichter Majestät. Hätte ich aufgeschaut, so hätte ich ihr Gesicht gesehen, doch ich hatte Angst davor. Nicht vor der Blindheit im Angesicht des Göttlichen, nein, nur daß sie sich wie ein Geist in Luft auflösen könnte. Und wie wunderbar war doch das, was sie mir zu sehen gestattete, die Scham der Heiligen Jungfrau, den Drachen am Horizont.

    Warm und stumm und schön saß sie da auf meinen Schenkeln, zog mich tiefer in ihre Umarmung. Mir war zum Weinen zumute, weil ich ihr nie würde sagen können, wie schön sie war, wie unfaßbar schön, denn ich hatte keine Stimme in diesem Traum, so wie auch sie keine hatte. Dann dachte ich: Aber du weinst doch, da, horch nur! Du weinst!
    Doch nicht ich war es, der weinte. Es war ein kleines Mädchen, seltsam hallend und geisterhaft. Und obgleich ich es nicht sehen konnte (der Drache, sah nur den Drachen), wußte ich, daß es ganz in der Nähe war. Keine anderen Laute, keine Stimmen. Nur ihr leises, trauriges Schluchzen.
    Die Begierde hämmerte in meiner Brust so heftig wie ein Zweites Herz. Meine Hände tasteten und entdeckten, umfaßten die Rundungen ihres Hinterteils, klommen daran empor, irrten über ihren Rücken, gruben sich in ihr langes Haar. Ich konnte sie riechen, den heißen Duft, der zwischen ihren Schenkeln emporstieg wie ein arabischer Dschinn aus dem Gefängnis seiner Flasche, lauthals triumphierend und mit einer Macht, gegen die es keine Gegenwehr gab.
    Ganz schwach war ich in ihren Armen, wie bei all den anderen Frauen, die ihr vorausgegangen waren, doch bei keiner war ich so hilflos und dabei so glücklich in meiner Niederlage gewesen. Ich war ihr ausgeliefert, ihrer schmerzvollen Anmut, dem Brennen ihrer Haut an meiner, den seidigen Spitzen ihrer Scham auf meinen Schenkeln. Ich bäumte mich auf, ihr mit aller Kraft entgegen, doch sie fing die Bewegung mit ihrem Körper auf, ein wellenförmiges Schlängeln, mit dem sie meinem Drängen auswich, mich neckte und lockte und zugleich zu größerer Mühe reizte.
    Ich dachte nur: Sie ist zu schön für mich. Der einzige sachliche Gedanke, den ich fassen konnte: viel zu schön! Ihr Schoß war offen und weich, ein rosiges Portal inmitten des dunklen Flaums. Stumm schien er nach mir zu schreien, doch als ich versuchte, in sie einzudringen, ließ sie es nicht zu. Ich beugte den Kopf weiter nach unten, bis mir der Nacken schmerzte, halb wahnsinnig vor Begehren, und umschloß ihre Brustwarzen mit meinen Lippen, umspielte sie mit der Zungenspitze, während sie sich enger an mein Gesicht drängte, sich heftig an mir rieb. Ihre Hände wanderten tiefer, streiften meinen Bauch, kletterten wieder höher hinauf, über Schultern und Hals, bis sie meinen Hinterkopf umfaßten.
    Irgendwann überschritt ihre Leidenschaft den Gipfel, und ihr Abstieg wurde für mich zum haltlosen Sturz ins Leere. Es war wie ein heißer Quell, der plötzlich versiegte, während ich noch immer versuchte, darin unterzugehen. Sie wurde ganz ruhig in meinen Armen, saß mit einemmal still, erwiderte nichts mehr auf mein verzweifeltes Drängen. Unsere Körper klebten schwitzend aneinander, und ich dachte, sie darf jetzt nicht aufhören! Darf doch jetzt nicht aufhören! Aber sie kümmerte sich nicht mehr um mich, legte nur eine Hand unter mein Kinn, um mein Gesicht zu heben, dem ihren entgegen, der Enthüllung ihres Antlitzes.
    Doch als ich aufblickte, fiel mir die Flut ihres dunklen Haars entgegen, und ich sah nichts mehr, nur Dunkelheit, nur wirre Finsternis,

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