Das Generationenschiff
zwischen zwei Würfen stets eine Pause. Dupaynils Aufmerksamkeit löste sich von den Würfeln und wandte sich dem Seti zu, und er rätselte, was der purpurrote Klecks auf dem serviettenartigen Tuch um seinen Hals zu bedeuten hatte. Als er wieder aufs Brett schaute, lagen die grünen Krakel erneut oben.
Das konnte sicher nicht stimmen, und sicher wollten sie nicht, daß ein Fremder die abendlichen Glücksspiele des Captains beobachtete. Er beobachtete die Würfel aufmerksam. Nach zwei weiteren Würfen hatte er keinen Zweifel mehr. Sie waren gezinkt, so zweifellos gezinkt wie die Würfel, mit denen Ahnungslose in den Hafenbars übers Ohr gehauen wurde. Die grünen Krakel landeten immer wieder oben. Warum also wurden sie überhaupt geworfen? Dupaynils Gedanken schweiften ab. Vielleicht befand er sich überhaupt nicht auf der Brücke. Vielleicht hatten ein paar gelangweilte Seti-Offiziere ihren menschlichen Gefangenen ködern wollen. Dann wurde ein vierter Würfel mit in die Luft geworfen, und drei grüne Krakel und ein purpurroter Klecks landeten oben.
Drei Seti-Köpfe drehten sich in seine Richtung, und ihre zahnbewehrten Kiefer standen leicht offen. Er zitterte in seinem Anzug. Wenn sie der Überzeugung waren, daß er ihnen Unglück gebracht hatte …
»Ahhh! Derrr Mennnsch!« Die Stimme des Captains aus seinem Komgerät hatte nur den üblichen Seti-Akzent. »Esss wurrrde mir erklärrrt, dasss Sssie durch glückliche Umstände an Borrrd gekommen sssind. Ihrrr Glück hält also an. Wenn Ihrrr Glück versssagt, werden wir’sss Ihnen sssagen, obwohl esss unsss in Gefahrrr bringt.«
Dupaynil konnte sich nicht verbeugen. Der Anzug ließ ihm keinen Bewegungsspielraum.
»Erhabener Glücksbringer«, begann er, denn das gehörte zum Titel des Captains. »Wenn der Zufall es will, daß Sie Ihr kostbares Wissen mit mir teilen, kann ich mich wirklich glücklich schätzen.«
»Ganz genau!« Der Captain richtete sich auf die mächtigen Hinterbeine auf und ließ die Kiefer zusammenschnappen. Wie Dupaynil in den Handbüchern gelesen hatte, war dies ein Zeichen von Belustigung. »Nun, o Glücklichem - , wirrr werden sssehen, wie Sssie Ihr Geschick einschätzen, wenn Sssie allesss wissen. Wirr werden noch früher eintreffen, alsss Sssie angenommen haben. Und wirrr werden mit Gewalt eintreffen.«
Der Seti konnte damit sicher nicht dasselbe meinen wie ein Mensch, dachte Dupaynil. Sicher nicht …
»Können Sssie den Ring der Wahrrrheit aus verssstreutem Spielzeug auflesen?« fragte der Seti. Dupaynil versuchte sich zu erinnern, was das bedeutete, aber der Seti-Captain redete weiter. »Sssie werrrden den Unterrrgang Ihresss unglücklichen Generalsss erleben, der Ihrrr Leben gegen die Weisheit unsererrr Sek in Gestalt desss Handelskommisssars gesetzt hat, und Sssie werrrden den Unterrrgang Ihrerrr Flotte errrleben … und derrr Föderrration selbssst und aller nichtswürdigen Rassen, die Gewißheit überrr dasss Heilige Glück stellen. Schauen Sssie vom Flaggschiff unserer Flotte zu, wie Sssie es nennen würrrden, das unsichtbarrr issst, bis dasss Geschick es will. Und dann, o Mensch, werden wir Ihrrr Fleisch verzehren, geräuchert mit dem Rauch derrr Niederrrlage.« Die mächtige Schnauze des Captains stieß gegen Dupaynils Helmmonitor.
Aus der Bratpfanne von Sassinaks Unbehagen über das Feuer der Verschwörung an Bord der Klaue hatte er sich bis in den Feuerofen der Seti vorgearbeitet. Wenn das Glück war, würde er ihm in Zukunft einen absoluten Determinismus vorziehen. Er konnte nicht schlimmer werden. Er hoffte, daß die Seti die Schweißperlen nicht bemerkten, die ihm den Rücken hinunterrannen. Er konnte seine eigene Angst riechen, und es war ein deprimierender Geruch. Er versuchte unbekümmert zu klingen.
»Wie können Sie sicher sein, daß Sie dieses Ziel erreichen, wenn Sie Würfel werfen?« Es war kein echter Gedanke, aber die ersten Worte, die ihm in den Sinn kamen, ein Ausdruck reiner Neugier.
»Ahhh …« Der Captain schlug mit dem Schwanz leicht auf den Boden, und sein Schwanzschmuck klirrte. »Kein Jammerrrn und kein Ssstreiten, sssondern verrrnünftige Gedanken. Ich werrrde antworrrten, wie derrr Zufall esss will.«
Seine Erklärungen des Verfahrens ergaben auf eine verquere Weise einen Sinn, wie Dupaynil es von Aliens nicht anders erwartet hatte. Der Zufall galt als heilig, und nur jene, die das Schicksal herausforderten, verdienten Respekt, aber das Maß an Risiko, mit dem jedes Unternehmen verbunden war,
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