Das Genessee-Komplott - Ludlum, R: Genessee-Komplott
glaube, das müssen Sie näher erklären, Sam. Das ist nicht Ihre Entscheidung. «
Und Sam Vicarson versuchte zu erklären.
Joshua Studebaker war ein Mann Mitte der Siebzig. Ein hervorragend talentierter Neger, der Sohn eines Erntewanderarbeiters namens Joshua. 1907, während eines der Reformprogramme von Theodor Roosevelt, war die Wahl auf den jungen Joshua gefallen, eine einjährige schulische Ausbildung zu erhalten.
Studebakers von der Regierung finanzierte Ausbildung dauerte außergewöhnliche sieben Jahre, sechs mehr, als die Gegenreformer erwartet hatten. In jenen Jahren preßte sich der Junge eine ungewöhnliche Menge Wissen in seinen bislang völlig ungebildeten Kopf. Als er dann sechzehn war, sagte man ihm, daß es Schluß sei; er sollte gefälligst für das dankbar sein, was man ihm gegeben hätte. Jedenfalls hatte er keinen Anspruch darauf, nicht im Jahre 1914 im Staate Missouri, U.S.A.
Aber das Werkzeug war ihm jetzt geliefert worden, und den Rest übernahm Joshua Studebaker selbst. Er suchte, bettelte, stahl und kämpfte für den Rest seiner Ausbildung. Es waren Wanderjahre, aber statt mit den Erntearbeitern zu gehen, zog er an Orte, wo ihm die Schulzimmer offenstanden. Er lebte in unglaublicher Armut, meist auf Bahnhöfen und in verkommenen Hütten mit Wellblechdächern und Feuern, die von Abfällen gespeist wurden. Als Joshua Studebaker zweiundzwanzig war, fand er ein kleines, experimentelles College, das ihn auf das Jurastudium vorbereitete. Mit fünfundzwanzig war er Rechtsanwalt. Mit siebenundzwanzig verblüffte er die Anwaltskammer in Missouri, indem er mit Erfolg einen Revisionsfall vor dem Obersten Staatsgerichtshof durchkämpfte.
Und von da ab war er in Missouri nicht mehr willkommen.
Bald darauf war seine Anwaltspraxis beendet, die Anwaltskammer hatte ihn wegen irgendwelcher Formalitäten ausgestoßen. Man hatte ihn wieder auf den ihm gebührenden Platz verwiesen.
Dann folgten Jahre der Flucht, in denen er um seine Existenz kämpfte – indem er in Zwergschulen unterrichtete, häufig auch manuelle Arbeit leistete. Sein Anwaltszertifikat war so gut wie wertlos.
Studebaker wanderte nach Norden, nach Chicago, wo er mit den Jüngern von Eugene Debs in Berührung geriet, der dort seine letzten Jahre mit Schreiben und Vorträgen vor der sozialistischen Intelligenzschicht verbrachte. Die Extremisten in den Kreisen Debs’ erkannten Joshuas Talente, und man schickte ihn nach New York – in den harten, heißen Kern der Kommunistischen Partei.
In den nächsten fünf Jahren seines Erwachsenenlebens war er ein wichtiger, unbekannter juristischer Manipulator im Schutze der Anonymität, und seine Arbeit bestand darin, Schlagzeilen für die Radikalen zu liefern.
Dann wurde Franklin Roosevelt zum Präsidenten gewählt, und die Marxisten gerieten in Panik. Denn Roosevelt machte sich ans Werk, das kapitalistische System dadurch zu retten, indem er kühn Sozialreformen einführte, die die Anhänger Lenins für ihr Eigentum hielten.
Die Marxisten traten an Joshua Studebaker heran mit dem Auftrag, eine elitäre Subzelle zu gründen, deren Aufgabe die Ausbildung von Insurgententeams war, die physisch die Reformprogramme der Regierung stören sollten. Büros, Arbeitslager, Lebensmittelverteilungszentren sollten sabotiert werden; Akten gestohlen, Wohlfahrtslieferungen vernichtet; alles Taktiken, die die Heilung der wirtschaftlichen Gebrechen in der Depression verzögern oder unmöglich machen sollten.
»Es war erschütternd, daß sie gerade mich dazu auswählten«, hatte Joshua Studebaker zu Sam Vicarson gesagt. »Sie hatten meinen Eifer mißverstanden ... Als Denker, als Stratege vielleicht akzeptierte ich das Prinzip der Gewalt. Als Aktivist konnte ich nicht daran teilnehmen. Ganz besonders
konnte ich das nicht, als ich hörte, daß die ersten Aktionen gegen jene gerichtet waren, die hilflos waren.«
Und so ging Joshua Studebaker, nachdem er in einer Zeitung davon gelesen hatte, wie bei einem Angriff auf ein Arbeitslager Menschen getötet worden waren, zum Justizministerium.
Dies war die Zeit, in der man Verirrte, die zurückkehrten, willkommen hieß. Es war auch eine Zeit, in der man jene belohnte, die mithelfen konnten, die Roosevelt-Regierung vom Makel der roten Farbe reinzuwaschen. Joshua paßte in beide Kategorien. Er wurde in aller Stille von der Regierung eingestellt und erhielt all seine juristischen Privilegien zurück. Zum erstenmal in seinem Leben konnte Joshua Studebaker aufhören zu
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