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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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Wagen in der Nähe des Hangars, in dem nach ihrer Rückkehr aus Texas die Vernehmung stattgefunden hatte. Den Schlüssel ließ er im Zündschloss stecken. Das Mädchen schleppte die Kostüme ihrer Mutter, der Junge führte den Hund an der Leine. Sun Moon hatte die Gitarre in der Hand, und Kommandant Ga trug ihren Gitarrenkoffer . In der Ferne warteten mehrere Krähen mit laufendem Motor in der Morgensonne.
    Sie gingen auf den Geliebten Führer zu, der sich gerade mit Kommandant Park besprach.
    Sobald der Geliebte Führer Sun Moon bemerkte, bedeutete er ihr, die Arme auszustrecken, damit er das Kleid an ihr bewundern konnte. Als sie auf ihn zuging, drehte sie sich einmal im Kreis, sodass sich die schimmernde, weiße Saumbordüre ihres Chima blähte. Sie verbeugte sich vor dem Geliebten Führer, der ihre Hand nahm und küsste. Er zog zwei silberne Schlüssel hervor und machte eine ausladende Handbewegung, um Sun Moon ihre Umkleidekabine zu zeigen, eine Miniaturnachbildung des Pohyon-Tempels mit seinen roten Holzsäulen und den reich verzierten, koreanischen Traufen. Das Ganze war zwar nicht größer als ein Kontrollhäuschen für Reisedokumente, aber originalgetreu bis ins kleinste Detail. Der Geliebte Führer überreichte Sun Moon einen der Schlüssel und steckte den zweiten in die Tasche. Er sagte etwas zu ihr, das Ga nicht hörte, und sie lachte zum ersten Mal an diesem Tag.
    Da bemerkte der Geliebte Führer auch Kommandant Ga.
    »Und da ist ja auch unser Taekwondo-Champion!«
    Die Menge fing an zu jubeln, und Brando wedelte mit dem Schwanz.
    Kommandant Park fügte hinzu: »Und mitgebracht hat er den bissigsten Hund der Welt.«
    Als der Geliebte Führer lachte, brachen auch alle anderen in Gelächter aus.
    Wenn der Geliebte Führer zürnte, dann zeigte er es so, dachte Ga.
    Schwerfällig kam der Düsenjet auf sie zu und kroch über die für wesentlich kleinere Flugzeuge gemachte Landebahn. Der Geliebte Führer wandte sich Kommandant Ga so zu, dass sie ungestört miteinander sprechen konnten.
    »Wir kriegen hier nicht jeden Tag Amerikaner zu sehen«, sagte er.
    »Ich vermute, das wird heute ein ziemlich einmaliges Erlebnis«, antwortete Ga.
    »In der Tat«, sagte der Geliebte Führer. »Ich vermute, dass hinterher nichts mehr so sein wird wie zuvor, für uns alle. Ich liebe solche Anlässe. Ein echter Neuanfang. Was meinst du?« Der Geliebte Führer musterte Ga mit staunendem Blick. »Es gibt etwas, das ich gern wüsste, was du mir nie erzählt hast: Wie genau bist du eigentlich aus dem Gefängnis rausgekommen?«
    Ga hätte den Geliebten Führer liebend gern daran erinnert, dass sie in einem Land lebten, in dem die Menschen dazu dressiert wurden, jede Realität zu akzeptieren, die ihnen vorgesetzt wurde. Er überlegte, ob er ihm mitteilen sollte, dass es für den, der die Realität infrage stellte, nur eine Strafe gab, und zwar die Höchststrafe, und dass man sich in akute Lebensgefahr begab, wenn man auch nur bemerkte, dass sich die Realität verändert hatte. Dieses Risiko würde selbst ein Lagerkommandant nicht eingehen.
    Stattdessen sagte Ga: »Ich habe die Uniform des Kommandanten angezogen und so wie Kommandant Ga gesprochen. Der Lagerkommandant trug einen schweren Stein auf der Schulter. Er brauchte Gas Erlaubnis, ihn abzusetzen.«
    »Schon, aber wie hast du ihn gezwungen, zu tun, was du wolltest, den Schlüssel im Schloss umzudrehen und das Gefängnistor zu öffnen? Du hattest doch keine Macht über ihn. Er wusste, dass du ein kümmerlicher Gefangener warst, ein namenloser Niemand. Und doch hast du erreicht, dass er dich freiließ.«
    Kommandant Ga zuckte mit den Achseln. »Ich vermute, der Lagerkommandant hat mir an den Augen angesehen, dass ich gerade den gefährlichsten Mann der Welt besiegt hatte.«
    Der Geliebte Führer lachte. »Jetzt weiß ich, dass du lügst«, sagte er. »Dieser Mann bin nämlich ich.«
    Ga lachte auch. »Da haben Sie recht.«
    Das gigantische Flugzeug rollte auf das Flughafengebäude zu, doch dann kam es zum Stehen, und die heiße Luft kochte über den Turbinen. Die versammelte Menschenmenge starrte hoch zu den abgedunkelten Cockpitscheiben und wartete darauf, dass der Pilot auf die zwei Flughafenmitarbeiter zufuhr, die ihn mit orangefarbenen Stäben heranwinkten. Doch stattdessen heulten die Triebwerke an Steuerbord auf, das Flugzeug schlug einen Bogen und wendete Richtung Startbahn.
    »Wollen sie schon wieder weg?«, fragte Sun Moon.
    »Diese Amerikaner sind einfach

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