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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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Sonnenlicht sah auch Jun Do, wie gerötet die Wundnähte waren und wie sie nässten.
    »Sehr überzeugend«, sagte Dr. Song.
    »Überzeugend?«, fragte Jun Do. »Ich wäre beinah dabei draufgegangen.«
    »Perfekt, vom Zeitpunkt her«, bestätigte Genosse Buc. »Die Fäden müssen bald gezogen werden. Soll das einer von deren Ärzten machen, oder wäre es noch dramatischer, wenn wir sie selbst ziehen?«
    »Was für ein Doktor sind Sie denn?«, fragte Jun Do.
    Dr. Song antwortete nicht. Seine feuchten Augen fixierten die Tätowierung auf Jun Dos Brust.
    »Wie ich sehe, ist unser Held ein Kinogänger«, sagte Dr. Song. Er klopfte Jun Do mit einem Finger auf den Arm als Zeichen, dass er sich anziehen könne, und fragte ihn: »Wusstest du, dass Sun Moon die Freundin von Genosse Buc ist?«
    Genosse Buc tat dem Älteren den Gefallen und lächelte. »Sie ist meine Nachbarin«, berichtigte er.
    »In Pjöngjang?«, fragte Jun Do. Im selben Augenblick war ihm klar, dass die anderen an der Frage sofort merken würden, was für ein Landei er war. Um seine Unwissenheit zu übertünchen, fuhr er schnell fort: »Dann kennen Sie also auch ihren Mann, Kommandant Ga?«
    Dr. Song und Genosse Buc wurden auffällig still.
    Doch Jun Do redete weiter: »Er hat den Goldgurt im Taekwondo gewonnen. Es heißt, er habe das Militär komplett von Homosexuellen gereinigt.«
    Der schelmische Glanz war aus Dr. Songs Augen verschwunden. Genosse Buc wandte den Blick ab.
    Der Fahrer holte einen Kamm und ein Päckchen Zigaretten aus seinen Taschen, reichte das Jackett an Jun Do weiter und knöpfte sich die Hose auf.
    »Genug von Kommandant Gas Großtaten«, sagte Dr. Song.
    »Genau«, meinte Genosse Buc. »Wollen wir mal sehen, wie das Jackett sitzt.«
    Jun Do schlüpfte in die Anzugjacke. Er hatte keine Ahnung, ob sie saß oder nicht. Nur noch mit Unterwäsche bekleidet, reichte ihm der Fahrer die Hose und als i-Tüpfelchen eine Seidenkrawatte. Jun Do musterte das Ding mit dem breiteren und dem schmaleren Ende.
    »Seht euch das an«, höhnte der Fahrer, steckte sich eine Zigarette an und blies den Rauch aus. »Der weiß nicht mal, wie man die bindet.«
    Dr. Song griff nach der Krawatte. »Komm, ich zeige dir dieFeinheiten der westlichen Halsmode«, sagte er und fragte Genosse Buc: »Was meinen Sie – den einfachen oder den doppelten Windsor?«
    »Den Kentknoten«, sagte Buc. »So tragen es die jungen Männer heutzutage.«
    Zusammen führten sie Jun Do die Gangway hinauf. Auf der obersten Stufe wandte Genosse Buc sich noch einmal an den Fahrer. »Geh zu deinem örtlichen Zuteilungsbeamten und füll ein Anforderungsformular aus«, sagte er. »Dann kommst du auf die Warteliste für einen neuen Anzug.«
    Jun Do warf einen letzten Blick auf seine alten Kleider auf dem Boden, die der Düsenstrahl gleich zwischen die Straußengehege wirbeln würde.
    *
    Über der Tür zum Cockpit hingen goldgerahmte Porträts des Geliebten Führers und des Großen Führers. Das Flugzeug roch nach Zigaretten und schmutzigem Geschirr. Und nach Hunden. Jun Do ließ den Blick über die vielen leeren Sitzreihen schweifen, sah aber nirgends ein Tier. Vorn saß ganz allein ein Mann im schwarzen Anzug, auf dem Kopf die hohe Schirmmütze eines Offiziers. Eine Stewardess mit makellosem Teint bediente ihn. Hinten im Flugzeug war ein halbes Dutzend junger Männer mit Büroarbeit beschäftigt. Einer benutzte einen Computer, den man auf- und wieder zuklappen konnte. Quer über mehrere Sitze war ein gelbes, aufblasbares Rettungsfloß mit rotem Griff und russischen Aufschriften gebreitet. Jun Do legte eine Hand darauf – die See, die Sonne, eine Dose Fleisch. So viele Tage auf dem Wasser.
    Genosse Buc kam auf ihn zu. »Flugangst?«
    »Ich weiß nicht.«
    Die Triebwerke wurden hochgefahren, und das Flugzeug rollte ans Ende der Startbahn.
    »Ich bin zuständig für Beschaffungsmaßnahmen«, beruhigte ihn Genosse Buc. »Mit diesem Flieger war ich schon überall – in Minsk, um frischen Kaviar zu besorgen, Cognac direkt aus dem Weinkeller in Frankreich. Der bleibt oben, keine Bange.«
    »Und was soll ich hier?«, fragte Jun Do.
    »Komm mit«, sagte Genosse Buc. »Dr. Song stellt dich dem Minister vor.«
    Jun Do nickte, und sie gingen im rollenden Flugzeug nach vorn, wo Dr. Song sich mit dem Minister unterhielt. »Nenn ihn nur Minister«, flüsterte Buc. »Und sprich ihn nie direkt an, nur durch Dr. Song.«
    »Herr Minister«, sagte Dr. Song. »Hier ist Pak Jun Do, ein wahrer Held der

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