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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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er ihr nachschaute. Dann sah er Felix an.
    Felix lächelte ihm aufmunternd zu, und es war ihm anzusehen, wie sehr er sich freute, einen jungen Gefährten zu haben.

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    37
    S ie gingen in den Keller. Es war wirklich ganz einfach, die schwere Tür aufzuziehen, die mit dem Heizkessel getarnt war. Von dort kamen sie durch eine Reihe schummriger Räume mit staubigen Glühbirnen, großen Koffern und klobigen Möbelstücken. Überall gingen weitere Türen ab.
    Dann ging es eine Treppe hinunter und durch einen weiten unterirdischen Tunnel, dessen feuchte Lehmwände wie ein Bergwerksgang mit Balken abgestützt und von feinen silbrig glänzenden Adern durchzogen waren.
    Eine Windung folgte der anderen, bis in der Ferne das metallische Schimmern des regnerischen Himmels zu sehen war.
    Der Tunnel führte direkt ans tosende Meer.
    Ohne sich auszuziehen, begann Felix zu rennen, schneller und schneller. Dann machte er mit ausgestreckten Armen einen Satz nach vorn. Seine Kleidung fiel von ihm ab, seine Schuhe flogen zur Seite, und mitten im Sprung wurde er zum Wolf. Er lief weiter, bis er den engen Ausgang des Tunnels erreichte und aus Reubens Blickfeld verschwand.
    Reuben konnte nur dastehen und staunen. Dann besann er sich und tat es Felix gleich. Er lief los, immer schneller, und spürte, wie die Krämpfe kamen. Sie waren so stark, dass sie ihn von den Beinen rissen, und er flog praktisch durch die Luft. Seine Kleidung fiel von ihm ab, seine Glieder dehnten sich aus, und von Kopf bis Fuß wuchs ihm ein Wolfsfell.
    Als er das nächste Mal den Boden berührte, war er bereits ein Morphenkind, das auf das tosende Meer, den Wind und den Nachthimmel zusprang.
    Mühelos sprang er durch die Öffnung ins eiskalte, wildbewegte Meer.
    Über ihm ragten zerklüftete Felsen auf, an deren Fuß Felix in Wolfsgestalt auf ihn wartete. Zusammen erklommen sie die unzugänglichen Klippen, krallten sich an Erde, Stängeln und Wurzeln fest. Oben angekommen, rannten sie auf den duftenden Wald zu.
    Felix stürmte voran, und Reuben folgte ihm. Er spürte seine ungeheure Kraft, als sie Richtung Norden jagten, durch die Wälder von Kap Nideck, immer weiter auf die Redwoodbäume zu, die wie Monolithen aus einer anderen Welt aufragten.
    Wildschwein, Wildkatze, Bär – Reuben nahm ihre Witterung auf und wurde hungrig, wollte töten und frisches Fleisch verschlingen. Der Wind roch nach Feldern, Blumen und Erde, abwechselnd von der Sonne erhitzt und vom Regen durchweicht. Immer weiter jagten sie, bis der Wind einen Geruch heranwehte, den Reuben noch nie so intensiv wahrgenommen hatte: den eines Elchbullen.
    Der Elch wusste, dass er gejagt wurde, und sein Herz begann schneller zu schlagen. Er floh und war erstaunlich schnell, aber nicht schnell genug. Die Wölfe stellten ihn und schlugen ihre Reißzähne von beiden Seiten in seinen dicken, gebogenen Hals.
    Das imposante Tier brach zusammen, seine dünnen Beine zitterten, sein Herz schlug wie wild, und seine großen, sanften schwarzen Augen starrten dumpf in den Sternenhimmel.
    Was für armselige Kreaturen, die nichts anderes tun konnten, als den Himmel stumm und verzweifelt um Hilfe zu bitten!
    Hemmungslos riss Reuben große, blutige Stücke aus dem Elch, zermalmte Knorpel und Sehnen, saugte das Mark aus den Knochen und verschlang alles gierig.
    Dann drückten sie die Schnauzen in das weiche Unterfell des Bauchs. Das war immer das Beste – bei Mensch und Tier. Sie rissen die stinkenden Eingeweide heraus und schleckten das Blut auf.
    Es war ein Festmahl, und das Beste war, dass sie es zusammen genossen. Hätte jemand sie beobachtet, hätte er kaum einen Unterschied zwischen ihnen ausmachen können.
    Anschließend legten sie sich unter einen Baum. Felix schien zu horchen und auf etwas zu warten.
    Die Tiere in der näheren Umgebung hatten bemerkt, was da vorging, strebten auf das Aas zu und stürzten sich hungrig darauf. Es war, als hätte der tote Elch neues Leben hervorgebracht. Die größten waren mächtige graue Kojoten, die nicht weniger gefährlich aussahen als Wölfe.
    Ruhig, aber mit einem erregten Glitzern in den Augen beobachtete Felix einen männlichen Kojoten. Dann schlich er sich leise an. Reuben folgte ihm.
    Als die Kojoten sie bemerkten, heulten sie auf, bewegten sich tänzelnd von dem toten Elch weg und schnappten nach den Wölfen.
    Fast spielerisch wehrte Felix sie mit den Pfoten ab und knurrte drohend, aber Reuben hatte eher das Gefühl, dass er lachte. Dann ließ er sie in

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