Das Geschenk der Wölfe
wieder haben wir uns Tricks ausgedacht, die sie zwingen sollten, uns miteinander in Kontakt treten zu lassen, aber sie waren zu clever, um darauf hereinzufallen. Dann mussten sie Belgrad aufgrund der politischen Veränderungen verlassen. Außerdem hatte Sergej uns endlich gefunden und machte Druck. In dem allgemeinen Durcheinander und der gebotenen Eile machten sie dann den entscheidenden Fehler: Zum Transport in einem Lieferwagen führten sie uns zusammen, ohne uns vorher zu betäuben.»
«Sie nahmen an, dass wir inzwischen psychisch und physisch zu geschwächt waren, um etwas zu unternehmen», sagte Thibault.
«Aber sobald wir zusammen waren, verwandelten wir uns», sagte Felix. «Wir sprengten unsere Fesseln und töteten das gesamte Team, inklusive Durrell. Nur Klopow und Jaska gelang die Flucht. Dann haben wir das Labor bis auf die Grundmauern abgebrannt.»
Beide Männer schwiegen einen Moment lang und schienen ihren Erinnerungen nachzuhängen.
Schließlich sagte Thibault mit einem versonnenen Lächeln: «Wir flohen in die Stadt, wo Sergej schon alles für uns vorbereitet hatte. Mit Klopow und Jaska wollten wir abrechnen, sobald wir uns in Sicherheit gebracht hätten.»
«Aber dazu kam es nicht», sagte Laura.
«Leider nicht. Wir konnten sie nicht finden. Wahrscheinlich waren sie unter falschen Namen abgetaucht. Aber da Ärzte bei jeder Neuanstellung ihre Qualifikation nachweisen müssen und im Fall einer Frau auch der Geburtsname dazugehört, gingen wir immer davon aus, dass wir Klopow früher oder später aufspüren würden.» Er lächelte bitter. «Und genau das ist vor einigen Wochen passiert. In der Zwischenzeit hatten die beiden neue Finanziers gefunden, und mit diesen Leuten müssen wir uns demnächst auch noch beschäftigen, aber das hat Zeit.»
Er räusperte sich, bevor er fortfuhr: «Dann kam die Nachricht aus Amerika, dass Felix’ geliebte Marchent von ihren eigenen Brüdern umgebracht worden war und dass ein Morphenkind die Mörder auf die traditionelle Art bestraft hatte.»
Alle schwiegen eine Weile.
«Ich war mir immer sicher, dass ich Marchent eines Tages wiedersehen würde», sagte Felix leise. «Ich bedaure unendlich, dass ich mich nicht mit ihr in Verbindung gesetzt oder sie einfach besucht habe, als ich endlich wieder die Gelegenheit dazu hatte.» Er wandte den Blick von den anderen ab und starrte auf die Tischplatte, als bewunderte er ihren seidenen Glanz, aber in Wahrheit sah er in diesem Moment gar nichts. «Wenn sie auf Reisen war, war ich oft hier», sagte er. «Manchmal habe ich sie sogar vom Wald aus beobachtet. Aber wissen Sie …»
Er konnte nicht weitersprechen.
«Sie wollten ihr nicht sagen, wer Sie verraten hatte», vermutete Laura.
«Genau», sagte Felix mit brüchiger Stimme. «Sie sollte auch nicht wissen, dass ich mich an ihren Eltern gerächt hatte. Wie hätte sie es auch verstehen sollen, ohne die ganze Geschichte zu kennen, und die wollte ich ihr nicht erzählen.»
Wieder schwiegen alle.
«Als dann der Wolfsmensch in San Francisco aktiv wurde …» Felix wollte den Faden wieder aufnehmen, aber seine Stimme versagte.
«Da wussten Sie, dass Marrok das Chrisam weitergegeben hatte», half Laura ihm weiter. «Ihr nächster Gedanke war, dass die Ärzte, hinter denen Sie seit all den Jahren her waren, der Versuchung nicht widerstehen und diesem Wolfsmenschen nachstellen würden.»
Felix nickte.
Eine Zeitlang war nur der Regen zu hören, der gegen die Fenster trommelte, und das Feuer, das im Kamin fauchte und knisterte.
«Wären Sie auch hergekommen, wenn es nicht um Klopow und Jaska gegangen wäre?», fragte Reuben nach einer Weile.
«Ganz gewiss», sagte Felix. «Ich hätte Sie mit dieser Sache nicht alleingelassen. Schon allein wegen Marchent wäre ich gekommen. Außerdem wollte ich ein paar Dinge haben, die hier im Haus geblieben sind. Aber ich wollte Sie auch kennenlernen. Ich hätte Sie Ihrem Schicksal nicht einfach so überlassen. Das tun wir nie. Deswegen habe ich jenes merkwürdige Treffen bei den Anwälten herbeigeführt. Wenn ich aus irgendeinem Grund verhindert gewesen wäre, hätte ich Thibault, Vandover oder Sergej geschickt. Wir waren zufällig gerade zusammen, als die Nachricht aus San Francisco kam. Wir wussten sofort, dass Marrok dahintersteckte und dass der Wolfsmensch, der hier Furore machte, Sie waren.»
«Kümmern Sie sich um jedes neue Morphenkind?», fragte Reuben.
«So oft passiert das nicht», sagte Felix. «Wirklich nicht. Und wenn,
Weitere Kostenlose Bücher