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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Wochen würde Reuben der rechtmäßige Besitzer von Kap Nideck sein – ein Name, den Marchent in ihrer Verfügung übernommen hatte. Außerdem hatte sie Reuben zum Erben der persönlichen Hinterlassenschaften ihres Onkels bestimmt.
    «Es ist noch nicht sicher», sagte Simon Oliver, «dass niemand das Testament und die Zusätze anficht. Andererseits kennen wir die Anwälte von Baker & Hammermill schon lange, vor allem Arthur Hammermill, und sie sagen, dass sie bereits vergeblich nach potenziellen Miterben gesucht haben. Demnach scheint es also keine rechtmäßigen Erben für den Nideck-Nachlass zu geben. Als Felix Nideck für tot erklärt wurde, haben sie offenbar alle Verästelungen des Familienstammbaums geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass niemand mehr lebt, der erbberechtigt wäre. Auch der Freund von Marchent Nideck in Buenos Aires hat alle Dokumente unterzeichnet und erklärt, dass er keine weitergehenden Ansprüche auf ihren Nachlass erhebt. Sie hat ihm übrigens ein hübsches Sümmchen vermacht. Sie scheint eine großzügige Frau gewesen zu sein und hat in ihrem Testament auch etliche wohltätige Organisationen bedacht. Tragischerweise gibt es für einen Großteil ihres Nachlasses keinen Empfänger. Aber was das Haus und das Grundstück in Mendocino betrifft, kann ich Sie beruhigen, mein Junge: Es wird ohne Wenn und Aber in Ihren Besitz übergehen.»
    Er hörte gar nicht wieder auf zu reden und verlor sich in Details über die Nidecks, die im neunzehnten Jahrhundert «aus dem Nichts» in Kalifornien aufgetaucht seien. Dann schilderte er, wie die Anwälte der Familie in all den Jahren, als Felix als vermisst galt, weltweit nach Erben gesucht hatten. Weder in Europa noch in Amerika seien sie fündig geworden. Dann kam er darauf zu sprechen, dass ja auch die Goldings und die Spanglers (Grace’ Familie) alteingesessene San Franciscoer Familien und ihre Stammbäume ähnlich verästelt seien.
    Reuben schlief beinahe ein. Das Einzige, was ihn interessierte, waren das Grundstück und das Haus mit allem, was es beherbergte.
    «Das alles gehört Ihnen», sagte Simon.
    Gegen Mittag beschloss Reuben, etwas zu kochen, wie er es früher oft getan hatte. Damit wollte er den anderen beweisen, wie gut es ihm ging. Schon als Kinder hatten er und Jim ihrem Vater beim Kochen geholfen, und Reuben hatte das Gemüseputzen, Zerkleinern und Garen immer als überaus entspannend empfunden. Grace hatte mitgemacht, wann immer sie Zeit dafür fand.
    Als Grace heimkam, setzten sie sich zu Tisch und aßen Lammkoteletts und Salat.
    «Hör mal, mein Baby», sagte sie. «Ich finde, du solltest das Haus möglichst bald zum Verkauf anbieten.»
    Reuben musste lachen. «Es verkaufen? Niemals, Mom! Diese Frau hat es mir vermacht, weil ich mich auf den ersten Blick darin verliebt habe. Ich werde dort einziehen.»
    Grace war schockiert. «Ich glaube nicht, dass du dir das gut überlegt hast», sagte sie und sah Celeste vielsagend an.
    Celeste legte die Gabel auf den Teller. «Du denkst ernsthaft darüber nach, dort hinzuziehen? Das verstehe ich nicht … nach allem, was dort geschehen ist.»
    Sie sah so traurig und gekränkt aus, dass sie Reuben leidtat. Aber was sollte er sagen?
    Phil sah Reuben nachdenklich an.
    «Was guckst du denn so, Phil?», fragte Grace.
    «Ich weiß nicht», sagte Phil. «Aber sieh dir unseren Jungen doch an! Er hat zugenommen, nicht wahr? Und was seine Haut betrifft, muss ich dir recht geben.»
    «Wieso», fragte Reuben, «was ist denn mit meiner Haut?»
    «Komm, lass gut sein», sagte Grace.
    «Deine Mutter findet, dass dir ein Flaum wächst, wie bei einer Schwangeren. Ich weiß, dass du weder eine Frau noch schwanger bist, aber deine Mutter hat recht. Du bekommst wirklich einen Flaum.»
    Wieder musste Reuben lachen.
    Alle betrachteten ihn neugierig.
    «Ich will dir eine Frage stellen, Dad. Über das Böse. Glaubst du, dass es eine spürbare Kraft ist? Glaubst du, dass es das Böse überhaupt gibt? Und damit meine ich jetzt nicht böse Taten oder so, sondern eine Art Macht, die über einen kommt und einen dann dazu bringt, Böses zu tun?»
    Phils Antwort kam prompt. «Nein, mein Sohn. Absolut nicht.» Er nahm einen Bissen Salat, ehe er fortfuhr: «Die Erklärung für das Böse ist in Wahrheit ganz banal, ganz langweilig. Es handelt sich schlicht und ergreifend um Verfehlungen, egal ob ein Dorf niedergebrannt wird und alle Einwohner dabei sterben oder ob jemand in zügelloser Wut ein Kind umbringt. Es sind alles

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