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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Gate Park wurden durch ihre Fingerabdrücke mit zwei Morden in Verbindung gebracht, bei denen Obdachlose in der Nähe von Los Angeles mit Baseballschlägern getötet worden waren. Das Opfer im Golden Park wurde als ein Vermisster aus Fresno identifiziert, und seine Familie war über sein Wiederauftauchen überglücklich. Der Mann, der Susan Larson in North Beach vergewaltigen wollte, hatte schon einmal eine Frau vergewaltigt und ermordet und deswegen gerade eine zehnjährige Haftstrafe abgesessen.
    «Wer immer dieser irre Rächer auch sein mag …», sagte ein Polizeisprecher. «Jedenfalls muss man ihm zugutehalten, dass er einen untrüglichen Spürsinn dafür hat, im rechten Moment einzugreifen, wenn ein Verbrechen verübt wird, was ja durchaus zu begrüßen ist. Dennoch haben seine Methoden die umfangreichste Personenfahndung in der Geschichte von San Francisco ausgelöst.»
    Es war zu hören, wie Dutzende von Reportern den Mann mit Fragen bestürmten. Dann fuhr er fort: «Zweifellos haben wir es hier mit einem gefährlichen und offenbar geistesgestörten Individuum zu tun.»
    «Verkleidet er sich mit einem Tierkostüm?»
    «Darüber können wir erst etwas sagen, wenn wir die Zeugenaussagen näher geprüft haben.»
    Warum sagt er nichts von den hohen Lysozymwerten im Speichel?, fragte sich Reuben. Die Antwort lag auf der Hand: Diese Information hätte eine Massenhysterie ausgelöst. Außerdem hatte er in der letzten Nacht keinen Speichel zurückgelassen, es sei denn, an seinen Klauen hätten sich Spuren davon befunden.
    Eins war jedenfalls klar: Die Menschen hatten keine Angst, dass dieser Wolfsmensch wahllos mordete und damit auch ihr Leben in Gefahr bringen könnte. Andererseits glaubte niemand, wenigstens nicht die Hörer, die sich bei den Radiosendern zu Wort meldeten, dass der Wolfsmensch tatsächlich mit Susan Larson gesprochen hatte.
    Reuben wollte das Radio gerade ausschalten, als gemeldet wurde, dass die Leiche einer achtjährigen Schülerin der Goldenwood Academy vor zwei Stunden am Strand von Muir Beach aufgefunden worden war. Todesursache: stumpfe Gewalteinwirkung.
    Anschließend wurde im Hauptquartier des Sheriffs von San Rafael eine Pressekonferenz abgehalten. Dort schien es zuzugehen wie bei einem Lynchmord.
    «Solange wir keine zuverlässige Zusage für die unversehrte Rückkehr von Schülern und Lehrern haben», sagte der Sheriff, «werden wir den Lösegeldforderungen der Entführer nicht nachkommen.»
    Es reichte. Mehr konnte Reuben nicht ertragen. Er schaltete das Radio aus. Ein kleines Mädchen am Strand von Muir Beach … Das sollten diese «knallharten Profis» also getan haben? Ein Kind kaltblütig ermorden, um zu zeigen, dass sie es ernst meinten? Natürlich. Warum auch nicht, bei fünfundvierzig potenziellen Opfern.
    Er wurde immer wütender.
    Inzwischen war es fünf Uhr und bereits dunkel geworden. Der Regen schien überhaupt nicht mehr aufhören zu wollen. Die Stimmen in seinem Kopf klangen weit entfernt. Um genau zu sein: Er hörte gar nichts von ihnen. Offenbar verfügte er nur über eine begrenzte Hörweite, genau wie ein Tier. Wo seine Grenzen genau lagen, wusste er nicht.
    Kleines Mädchen tot am Strand.
    Wahrscheinlich waren die anderen Entführungsopfer nicht weit weg.
    Reuben erreichte die Kuppe des steil ansteigenden Wegs, und im Scheinwerferlicht tauchte das große Haus auf. Im Regen schien es noch unwirklicher und großartiger zu sein als in seiner Erinnerung. In den Fenstern war Licht.
    Sosehr ihn der Anblick des Hauses erregte, so niederschmetternd war der Gedanke an die Kinder. Trotzdem konnte er nicht aufhören, an sie zu denken, vor allem an das tote Mädchen.
    Er fuhr vor die Haustür, und die Außenbeleuchtung ging an. Sie beleuchtete nicht nur Treppe und Tür, sondern die ganze Hausfassade bis hinauf zu den oberen Fenstern. Was für ein wunderbarer Anblick!
    Reuben spürte, wie weit er sich von dem naiven jungen Mann entfernt hatte, als der er diese Türschwelle zum ersten Mal überschritten hatte, zusammen mit Marchent Nideck.
    Die Tür wurde geöffnet, und der Mann, der sich um das Haus kümmerte, kam in einem gelben Regenmantel heraus, um Reuben mit dem Gepäck zu helfen.
    In der großen Diele brannte bereits das Kaminfeuer, und es duftete nach frischgebrühtem Kaffee.
    «Ihr Essen steht auf dem Herd», sagte der Mann, ein großer, magerer grauäugiger Kerl mit wettergegerbtem, faltigem Gesicht, eisgrauen Haaren und einem gewinnenden Lächeln. «Meine Frau hat es

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