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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hergebracht. Sie hat es aber nicht selbst gekocht, sondern im Dorf gekauft, im Redwood House. Sie hat auch gleich ein paar Lebensmittel für Sie besorgt, falls Sie nichts dagegen …»
    «Das ist sehr nett», sagte Reuben schnell. «Ich habe an alles gedacht, nur nicht ans Essen. Vielen Dank. Ich habe mich gründlich getäuscht, als ich sagte, ich würde um vier hier sein. Tut mir wirklich leid.»
    «Kein Problem», sagte der Mann. «Ich heiße übrigens Leroy Galton. Die Leute nennen mich einfach Galton. Meine Frau heißt Bess. Sie stammt von hier. Früher, als hier noch Parties gefeiert wurden, war sie öfter hier, um zu kochen und sauber zu machen.» Mit Reubens Gepäck in der Hand ging Galton durch den Hausflur auf die Treppe zu.
    Reuben hielt den Atem an. Sie näherten sich der Stelle, wo er mit Marchents Angreifern gerungen hatte und beinahe gestorben wäre.
    Er hatte ganz vergessen, dass auch hier alles in dunkler Eiche getäfelt war. Es waren keine Blutflecken zu sehen. Aber der Teppich zwischen Treppe und Küchentür war neu und anders gemustert als der breite orientalische Treppenläufer.
    «Man kann nichts mehr sehen», sagte Galton stolz. «Wir haben alles abgeschrubbt. Der Fußboden war zentimeterdick mit altem Bohnerwachs bedeckt und hatte ohnehin eine gründliche Reinigung nötig. Jedenfalls sieht man jetzt nichts mehr von dem, was hier passiert ist.»
    Reuben blieb stehen und fühlte sich plötzlich ganz leer. Nichts als Dunkelheit, in der er allmählich versank, um sich noch einmal alle Einzelheiten des Kampfes vor Augen zu führen – genauso minutiös, wie er am Karfreitag die Stationen des Heiligen Kreuzes in der Kirche St. Francis at Gubbio abschritt. Wie Nadeln fuhren ihm die Zähne der Kreatur in Hals und Schädel.
    Wusstest du, was mit mir passieren würde, wenn du mich leben lässt?
    Galton redete immer weiter und reihte eine Platitude an die andere … Das Leben geht weiter … Die Welt gehört den Lebenden … So etwas kann schon mal passieren … Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgends … Man weiß nie, wann einen das Schicksal einholt … Heutzutage gerät man schnell auf die schiefe Bahn, vor allem, wenn Drogen im Spiel sind … Damit muss man fertigwerden und einfach weitermachen …
    «Eins weiß ich aber genau», sagte er plötzlich mit Nachdruck. «Ich weiß, wer es war. Ich weiß, wer Sie angegriffen hat. Und es ist ein Wunder, dass er Sie leben lassen hat.»
    Reubens Nackenhaare sträubten sich, und sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. «Ach, wirklich?»
    «Ein Berglöwe», sagte Galton, kniff die Augen zusammen und hob das Kinn. «Ich weiß auch, welcher. Ein weibliches Tier, das hier in der Gegend schon viel zu lange sein Unwesen treibt.»
    Reuben schüttelte den Kopf und fühlte sich sehr erleichtert. Trotzdem sagte er: «Das glaube ich nicht.»
    «Doch, doch! Glauben Sie mir, mein Sohn. Hier in der Gegend wissen alle, dass es diese Berglöwin war. Sie lebt irgendwo da draußen und hat sogar ein paar Junge. Ich selbst habe schon dreimal auf sie geschossen, aber jedes Mal ist sie mir entwischt. Sie hat sich meinen Hund geholt. Nun, Sie kannten meinen Hund ja nicht, aber es war kein gewöhnlicher Hund, das kann ich Ihnen versichern.»
    Das alles war ungeheuer erleichternd, weil es nichts mit dem zu tun hatte, was wirklich geschehen war.
    «Er war der beste Schäferhund, den man sich wünschen konnte. Er hieß Panzer. Ich habe ihn bekommen, als er sechs Wochen alt war, ihn großgezogen und ihm beigebracht, von niemand anders auch nur den winzigsten Bissen anzunehmen. Ich habe nur Deutsch mit ihm gesprochen, die Befehle, wissen Sie. Der beste Hund, den ich je hatte.»
    «Und die Berglöwin hat ihn sich geholt?», murmelte Reuben.
    Wieder hob der alte Mann das Kinn und nickte ernst. «Hat ihn aus meinem Garten in den Wald gezerrt. Als ich ihn fand, war kaum noch was von ihm übrig. Das war sie, die Berglöwin und ihre Jungen. Die Jungen, müssen Sie wissen, sind schon fast ausgewachsen. Ich habe sie gejagt, die ganze Bande. Und ich jage sie weiter, auch wenn ich keinen Jagdschein besitze. Früher oder später erwische ich sie, es ist nur eine Frage der Zeit. Seien Sie also vorsichtig, wenn Sie in den Wald gehen. Sie hat ihre Jungen immer noch bei sich und bringt ihnen das Jagen bei. Also passen Sie auf, vor allem in der Dämmerung, morgens und abends.»
    «Mach ich», sagte Reuben. «Aber es war kein Berglöwe.»
    «Woher wollen Sie das wissen?»
    Warum konnte er

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