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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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gefügt zu haben. Dennoch blieb Amunhotep wachsam und ließ sich davon nicht täuschen. Ihm war klar, dass Ipuwer nur in eine demütige Haltung verfallen war, um im rechten Moment die erste Unachtsamkeit von ihm zu seinen Gunsten zu nutzen. Deshalb schon war es gut zu wissen, dass es zumindest einen Freund hier in Abydos gab.
    »Nun muss ich abwarten, was Itiamun zu diesen Neuerungen sagt und ob ich seine Zustimmung erhalte«, schloss er, und Netnebu schmunzelte.
    »Es sind gute Neuerungen. Ich glaube kaum, dass Itiamun ihnen widersprechen wird.«
     
    * * *
     
    Wie in Abydos, so wurde auch in den Schreibstuben der königlichen Schreiber und deren Gehilfen, in den Amtsräumen des Wesirs und der königlichen Beamten weitergearbeitet.
    Itiamuns Schreiber stellte alles Wichtige über die laufenden Regierungsangelegenheiten zusammen, egal ob es sich dabei um innen- oder außenpolitische, militärische oder religiöse Dinge handelte, und der Prinz nahm begierig jede dieser Informationen in sich auf. Natürlich waren Itiamun die Probleme der Staatsführung nicht fremd. Immerhin war er durch die besten Beamten des Pharaos und durch den König selbst in allen Fragen der Regierung unterrichtet worden; trotzdem gab es viele Dinge, die er noch nicht wusste. Da half es auch nicht, dass er bereits seit mehr als eineinhalb Jahren neben seinem Vater auf dem Thron gesessen hatte.
    Itiamun wusste, dass er sich auf die Beamten seines Vaters verlassen konnte. In einige setzte er das gleiche Vertrauen wie dieser. Trotzdem ließ er von seinem Schreiber eine Liste aller ranghohen Beamten und Militärs, Gaufürsten und der obersten Priesterschaft eines jeden Tempels erstellen – woher sie stammten, wie lange und mit welchen Erfolgen sie ihr Amt versahen und vor allem, inwieweit ihre verwandtschaftlichen Beziehungen in andere Bereiche griffen.
    »Majestät!«, rief sein Schreiber entsetzt aus und rang nach Luft. »Ist dir bewusst, wie viel Zeit ich dafür investieren muss?«
    Itiamun schmunzelte nur. Er wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte.
    Eine Woche später hatte er alle Informationen, und er kam zu dem Schluss, dass es nicht allzu viele Veränderungen in seiner zukünftigen Regierung geben würde.
    Bei all der vielen Arbeit vergaß der zukünftige Pharao natürlich seine Familie nicht, von denen einige Mitglieder, von tiefster Trauer gelähmt, sich in ihren Gemächern verkrochen hatten. Einzig Nubchesbed hatte sich ihre Würde bewahrt und zeigte niemandem ihren Schmerz über den Verlust ihres königlichen Gemahls. Itiamun bewunderte sie dafür, denn er wusste, sie litt genau wie er unter Ramses’ Tod.
    Und als dann nach siebzig Tagen die Priester des Großen Gottes Anubis mit der Vorbereitung des Königs für seine Reise in den Schönen Westen fertig waren, wurde Ramses’ Mumie auf die königliche Barke gebracht, und der zu Osiris gegangene Pharao trat seine letzte irdische Reise auf dem Leben spendenden Nil gen Süden an in die heilige Stadt des Großen Gottes Amun.
     
    * * *
     
    Es war Mitte des zweiten Erntemonats. Die Luft flimmerte vor Hitze, und der Nil begann sich auf seinen Tiefststand zuzubewegen. Re saß in seiner Barke und trocknete das Schwarze Land aus. Überall entlang des Flusses standen Gerste, Weizen und Emmer in voller Ähre auf den Feldern und warteten nur darauf, von den Bauern und deren Helfer geerntet zu werden. Die Speicher würden in diesem Jahr überlaufen, niemand bräuchte im kommenden zu hungern. All das war das Werk des Guten Gottes, der nun zu den Göttern gegangen war.
    In einem langen Prozessionszug begaben sich die Trauernden auf den Weg zum Königstal, welcher beiderseits von den Untertanen des Königs gesäumt wurde.
    Allen voran schritten Itiamun und der Zweite Prophet des Amun, Nesamun. Itiamun hatte sich ein Leopardenfell über die Schulter gelegt, denn als Nachfolger seines Vaters oblag es ihm, das Ritual der Mundöffnung vorzunehmen, während Nesamun in Vertretung seines Vaters, des Hohepriesters, erschienen war. Dieser konnte an der Beisetzung nicht teilnehmen, da er seit einer Woche von bösen Dämonen geplagt wurde, die ihm Husten und Hitze bescherten, sodass er das Bett hüten musste. Der hoch gewachsene Priester stützte sich auf seinen Amtsstab, und Itiamun wusste, dass es für Nesamun ein langer und beschwerlicher Weg werden würde. Seit seinem Unfall vor ein paar Jahren auf einer Baustelle in Opet-sut fiel Amunhoteps Vater das Gehen schwer. Dennoch war Itiamun klar, dass es

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