Das Geschenk: Roman
weiterverfolgen, wollte er nicht durchdrehen. Dennoch war die Tatsache, dass Eleanor sich frisch gemacht hatte und mitgekommen war, ein hoffnungsvolles Zeichen – bis Tom ihren Gesichtsausdruck gewahrte. Er war, um es vorsichtig auszudrücken, nicht allzu freundlich. Mörderisch war der Begriff, der Tom unwillkürlich in den vom Gin leicht umnebelten Sinn kam.
»Tom!«, tönte Max in diesem begeisterten Tonfall, der ausdrückte: »Ich bin schwerreich und eine allseits beliebte Stimmungskanone!« Sie fanden eine Nische, in der sie ungestört waren.
»Tut mir Leid, dass wir uns verspätet haben«, sagte Max. »Eleanor und ich mussten einige Dinge klären. Junge, Junge, was für eine Fahrt bis jetzt, was?«
Kristobal starrte hinaus in die Dunkelheit. Sein Schönlingsgesicht trug einen kummervollen Ausdruck. »Wenigstens fährt das Ungetüm wieder.«
»Ihre erste Fahrt mit der Eisenbahn, Kristobal?«, fragte Tom.
»Und hoffentlich meine letzte.«
Tom war sicher, dass Kristobal mehr von Privatflugzeugen, Champagner bis zum Abwinken und rauchfreien Zonen hielt, wenn er auf seinem Klappbett lag und davon träumte, ein großer Filmmogul zu werden.
»Er gehört einer anderen Generation an«, sagte Max, während er seinem Assistenten einen aufmunternden Klaps auf den Arm gab. »Er hat’s nicht so mit den Eisenbahnen – nicht so wie Sie und ich.«
»Ja, Ellie und ich sind viel mit der Eisenbahn gefahren, als wir in Übersee waren. Mit einem alten Bummelzug von Amsterdam nach Paris, zum Beispiel. Um fünf Uhr morgens stiegen wir ein, in der festen Überzeugung, im Zug frühstücken zu können. Leider hatte uns keiner gesagt, dass es nichts zu essen gab, weil das Personal des Speisewagens streikte. Während wir langsam dem Hungertod entgegendämmerten, fiel uns auf, dass überall auf den Feldern neben der Strecke massenweise Leute standen und den Zug fotografierten. Mir kam der Verdacht, dass er besetzt worden war – Sie wissen schon, vom streikenden Personal – und dass wir unserem Untergang in Paris entgegenfuhren.«
»Was geschah dann?«, fragte Max.
»Als wir in Paris eintrafen, wartete dort eine Blaskapelle. Und dann rollte ein schlanker, roter Express herein und blieb neben dem alten Bummelzug stehen, in dem wir gesessen hatten. Es war seine letzte Fahrt auf dieser Strecke gewesen, ehe er vom Express abgelöst wurde. Deshalb das Aufsehen und die Festlichkeiten am Bahnhof in Paris. Während die Kapelle spielte, schlugen wir uns die Bäuche voll. – Erinnerst du dich noch, Ellie?«
»Ich höre jetzt auf Eleanor, einfach Eleanor. Und nein, ich erinnere mich nicht.«
Der Gin hatte Tom mittlerweile von Kopf bis Fuß angewärmt und aufgelockert, und sein Mund ließ sich kaum mehr unter Kontrolle halten. »Recht so, Ellie, das ist Vergangenheit. Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen, Schöneren, Besseren.« Er sah Max an. »Sie und Eleanor haben sich unterhalten, sagten Sie?«
»Ja, wir haben die Angelegenheit durchdiskutiert. Wenn Sie wollen, können Sie beide sofort anfangen.«
Tom warf Eleanor einen verwirrten Blick zu. »Ich dachte …«
»Wenn Max sich für etwas erwärmt, entwickelt er eine Begeisterung, die ansteckend ist und einen am Ende regelrecht überrollt«, erklärte Eleanor mit gepresster Stimme, ohne Tom anzusehen.
»Du wurdest nicht dazu gezwungen?«, fragte Tom. »Wobei du dich natürlich niemals zu irgendetwas zwingen ließest …«
»Von Zwang kann keine Rede sein«, antwortete Max an Ellies Stelle. »Stimmt’s, Eleanor?«
Sie nickte.
»Also, wie sollen wir anfangen?«, fragte Tom unternehmungslustig.
»Was konnten Sie denn bis jetzt in Erfahrung bringen?«, fragte Max.
Tom lehnte sich zurück und drehte sein leeres Glas in der Hand. »Zunächst mal wird Ginseng in Wisconsin angebaut, und es hilft älteren Knaben, sich im Bett wie Rambo aufzuführen. Dann ist eine ziemlich verrückte Lady namens Agnes Joe in diesem Zug, die so gut wie jeder zu kennen scheint … aber fragen Sie mich nicht, warum. Sie ist um einiges schwerer als ich und ist mal bei Ringling Brothers am Trapez aufgetreten.« Er deutete auf Steve und Julie. »Und die beiden wollen an Bord des Southwest Chief heiraten. Sie sind ganz in Ordnung, aber noch ein bisschen feucht hinter den Ohren. Ich habe auf dem Chief jemanden, der uns eine Menge tolle Geschichten erzählen kann. Die Tarot-Lady da drüben hat ’ne Hand voll hartgesottene Geschäftsleute mit ihren Wahrsagereien regelrecht um den Finger gewickelt. Ach ja, und
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