Das Geschenk: Roman
ein winziges Handtuch trägst?«
»Oh, du bist eifersüchtig! Das gefällt mir. Das ist wie Medizin für eine Beziehung. Übrigens kommt Erik aus Norwegen.«
»Prima, dann hol diesen norwegischen Erik mal ans Telefon.«
»Warum?«
»Ich möchte gern einen Termin mit ihm vereinbaren, wenn ich bei dir bin. Ich glaube, mein Rücken muss nach dieser Eisenbahnfahrt ebenfalls behandelt werden. Ich nehme an, er hilft Frauen und Männern, oder?«
»Natürlich. Aber du musst mir versprechen, dass du nicht gemein zu ihm bist. Ich weiß, wie du manchmal sein kannst. Versprichst du ’s?«
»Ja, sicher. Es ist doch nur, dass mir der Rücken wehtut, und ich könnte ein bisschen PT gebrauchen, wie jeder andere in meiner Situation.«
Er hörte, wie Lelia den Hörer weiterreichte und ein paar Erklärungen gab.
» Ja, hier Erik, kann ich Ihnen helfen?«, erklang nun die Stimme des norwegischen Adonis.
»Erik? Hier ist Tom Langdon. Ehe ich einen Termin mit Ihnen vereinbare, möchte ich noch wissen, wie Sie es mit der Meldepflicht für Infektionskrankheiten halten.«
»Wie bitte? So was kenne ich nicht.«
»Meldepflicht für Infektionskrankheiten. Oder gilt die bei Ihnen nicht? Lassen Sie es mich in einfachen Worten erklären. Da Sie sich mit menschlichen Körpern beschäftigen – zum Beispiel mit dem Lelias im Handtuch – und dabei mit menschlicher Haut in Kontakt kommen, laufen Sie Gefahr, sich mit schweren und ansteckenden Krankheiten zu infizieren, die Sie dann möglicherweise auf andere Kunden wie mich übertragen. Deshalb wollte ich wissen, welche Vorsichtsmaßnahmen Sie treffen und welche Meldepflichten bei Ihnen gelten. Ich bin sicher, dass Lelia Sie über ihre Hepatitis-Z-Erkrankung und die ernsten Folgen unterrichtet hat, die sich daraus ergeben könnten. Deshalb wollte ich wissen, inwieweit Sie andere Kunden in solchen Fällen aufklären.«
»Hepatitis!«
»Keine Bange. Wenngleich es für diese Krankheit natürlich keine Heilung gibt, wirken die neuen medikamentösen Therapien wahre Wunder, und die Nebenwirkungen halten sich in Grenzen: Übelkeit, Haarausfall, rapide Gewichtszunahme und Impotenz. Wenn man mit der Behandlung früh genug beginnt, endet die Krankheit nur in der Hälfte aller Fälle tödlich.«
Tom hörte, wie das Telefon zu Boden polterte, gefolgt von panischen Schritten auf Lelias poliertem Parkettboden, die sich rasch entfernten. Dann erklang Lelias aufgeregte Stimme: »Erik? Erik, wo wollen Sie hin? Erik, kommen Sie zurück!«
Nachdem krachend eine Tür zugeschlagen worden war, hörte Tom, wie der Hörer aufgehoben wurde. Er konnte sich geradezu bildhaft vorstellen, wie die Frau, die Cuppy den Wunderbiber und Sassy das Supereichhörnchen zu Lieblingen von Millionen gemacht hatte, vor Wut schäumte.
»Was hast du zu ihm gesagt? Die genauen Worte!«
»Wir haben uns bloß über meinen Termin unterhalten und was ich von ihm erwarte, und plötzlich war er weg.«
»Ich habe ihn ganz deutlich ›Hepatitis‹ sagen hören.«
»Hepatitis? Lelia, ich sagte Gingivitis . Ich habe ihn gefragt, ob er Gingivitis hat, weil nämlich mein alter Masseur das auch hatte. Ich kann dir sagen – es war wirklich kein Vergnügen, eine ganze Stunde lang diesen entsetzlichen widerlichen Atem riechen zu müssen. Aber Eriks Englisch ist offenbar noch nicht besonders gut.«
»Ich glaube dir nicht! Ich glaube dir kein Wort, Tom Langdon! Ist dir eigentlich klar, was du getan hast? Mein Rücken bringt mich um, und was soll nun mit meinen Fußnägeln werden?«
»Versuch’s mal mit Franzbranntwein und einer Papiernagelfeile.«
»Das ist nicht lustig!«, rief sie wütend.
»Hör mal, ich bin hundemüde, und der Empfang ist hier sehr schlecht. Ich ruf dich an, sobald wir in Pittsburgh sind.«
»Was? Ich dachte, du wärst längst in Pittsburgh!«
Tom schlug sich wegen seines Lapsus klatschend vor die Stirn. Doch unter dem gewaltigen Druck, dem er sich plötzlich ausgesetzt sah, entwickelte er einen, wie er glaubte, genialen Plan. »Lelia? Lelia! « Er klopfte mit den Fingerspitzen kräftig aufs Handy. »Lelia, die Verbindung bricht zusammen! Ich kann dich nicht mehr hören! Lelia …?«
»Wag es ja nicht, schon wieder diese Nummer abzuziehen, Tom …«
Er sprach langsam und mit sehr lauter Stimme, als müsste er sich mit einem Geistesschwachen herumschlagen, der unter Schwerhörigkeit leidet: »WENN … DU … MICH … HÖREN … KANNST … ICH … RUFE … DICH … AN … WENN … WIR … NACH … CHICAGO …
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