Das Geschenk: Roman
Geschenke, die er von seinem eigenen Geld kaufte. Er ging in Schulen, um Werbung für die Eisenbahn zu machen, und war vermutlich einer besten PR-Leute, die Amtrak je hatte. Doch seine Spezialität war, die Menschen glücklich zu machen, wenn sie mit dem Zug reisten. Er ermunterte die Leute, miteinander zu reden und einander kennen zu lernen. Charles Kuralt hat sogar mal über Zeb geschrieben. Tja, und am 4. Juli 1987 wurde im Eagle ein Paar getraut, und Zeb Love war von Anfang an dabei. Er feierte sogar mit der Hochzeitsgesellschaft, als der Zug in Fort Worth einfuhr. Zeb war wirklich etwas ganz Besonderes.«
Julie seufzte. »Ich hoffe, unsere Hochzeit wird nur halb so schön.«
»Oh, ganz sicher«, beruhigte Higgins sie. »Soweit ich weiß, übernimmt Roxanne Jordan die musikalische Gestaltung. Und wenn diese Frau mitmischt, geschehen wahre Wunder. Haben Sie Vertrauen!«
An der Nordwestküste des Pazifik fand ein bedeutsames meteorologisches Ereignis statt. Rivalisierende Hoch- und Tiefdruckgebiete, aufeinander treffende Kalt- und Warmfronten, aufsteigende Feuchtigkeit von der Küste und Höhenwinde mit enormen Geschwindigkeiten – dies alles vermischte sich, bildete ein komplexes System und setzte sich nach Osten in Bewegung. Eine ähnliche Wetterlage hatte sich während der Reisen Mark Twains durch das Nevada-Territorium 140 Jahre zuvor fast am gleichen Ort gebildet. Das Ergebnis waren ein rapider Temperatursturz und ein Schneesturm gewesen, wie ihn die Menschen in dieser wilden Gegend nie zuvor erlebt hatten. Falls man Twains Geschichte glauben konnte – was das betraf, bewegte man sich bei ihm stets auf schwankendem Boden –, hätte diese Episode ihn beinahe das Leben gekostet.
Weitgehend unbemerkt von den nationalen Wetterdiensten drehte der aufkommende Sturm in südliche Richtung, prallte auf die gigantische Mauer der nördlichen Rockies und rauschte an diesem Gebirgszug entlang, so wie Wasser beim Rohrbruch in einem Haus dem Verlauf der Stromleitung folgt. Wenngleich noch niemand genau bestimmen konnte, wo der sich aufbauende Sturm mit all seiner winterlichen, verheerenden Kraft zuschlagen würde, schien sein Ziel genau auf der Strecke des Southwest Chief zu liegen, und zwar an einem hochinteressanten Ort: Es war eine sehr einsame, abgelegene, unwirtliche Gegend im Südosten Colorados: der Raton Pass. Dieser Gebirgspass war der höchste Punkt der Southwest-Chief-Route und wies die steilsten Gleisabschnitte im ganzen Land auf. Schon bei gutem Wetter war die Steigung nur mit Mühe zu bewältigen. Falls das Wetter sich drastisch verschlechterte, würde der Pass dem Southwest Chief alles an Leistung abfordern.
Später in jener Nacht machte die Gestalt in Schwarz abermals ihre Runde durch die Schlafwagen. Diesmal war sie wegen der allgemein erhöhten Wachsamkeit noch vorsichtiger als zuvor und achtete noch sorgfältiger darauf, dass niemand in der Nähe war. Die Bemühungen des Diebs wurden insofern begünstigt, als viele Reisende entweder beim Abendessen waren oder einem besonderen Ereignis im Salonwagen beiwohnten. Tatsächlich wurden die Fahrgäste im Southwest Chief im Augenblick bestens unterhalten, sodass sie ihre Wertsachen nicht angemessen bewachten. Der Dieb würdigte dies, indem er mit den Lippen ein stummes »Vielen Dank« formte und sich dem verabscheuungswürdigen Geschäft widmete, seine Mitpassagiere zu berauben.
KAPITEL 20
Der Salonwagen wiegte sich im Takt leicht hin und her, doch diese Bewegung hatte nichts mit den Abschnitten alter, ausgefahrener Gleise zu tun, über die der Chief jeden Tag rollte. Roxanne stand mitten im Wagen, hielt ein Mikrofon in der Hand – nicht, dass sie so etwas zur Verstärkung ihrer Stimme nötig gehabt hätte – und gab ein Lied nach dem anderen zum Besten, jedes ergreifender und anrührender als das vorherige. Im dicht besetzten Wagen waren alle Blicke auf Roxanne gerichtet, um sich ja nicht eine Note entgehen zu lassen. Die Los-Angeles-Sängerknaben waren ebenfalls ein bisschen länger aufgeblieben und lauschten wie gebannt einer wahren Künstlerin, die nur sang, weil es ihr Spaß machte. Die Jungen konnten keine bessere Lektion fürs Leben erhalten, als Roxanne Jordans Vortrag zu lauschen und ihr zuzuschauen, während der Zug über die Schienen donnerte.
Tom saß im hinteren Teil des Wagens und summte die Lieder, die Roxanne sang, halblaut mit. Nach der Show belohnten die Passagiere sie mit einer stehenden Ovation, um sich dann angeregt darüber zu
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