Das geschwaerzte Medaillon
dass die Entspannung sofort wieder verschwand, als ich über die Kante sah.
»Na das wird etwas«, murmelte ich und folgte Keiras Beispiel. Klettern. Genau das Richtige für einen Tollpatsch wie mich. Ein falscher Handgriff und ich würde wieder einmal den freien Fall genießen. Vorerst reichte jedoch der Genuss der scharfen Kanten, die schmerzhaft in meine Hände drückten. Ich keuchte bereits nach wenigen Minuten und verfluchte mal wieder meine Herkunft. Wenn Bergsteiger Freude daran hatten, na schön, aber ich mochte diese Aktivität ganz und gar nicht. Ich wünschte mir wirklich, dass ich nicht so oft nach unten sehen müsste, auch wenn da nicht wirklich etwas zu sehen war.
»Janlan, du weißt schon, dass der Boden nur fünfzig Zentimeter von deinen Füßen entfernt ist?«
Ich hörte die leise Belustigung in ihrer Stimme ganz genau und überlegte mir schon, was ich antworten sollte, als Keira plötzlich gehetzt wieder sprach.
»Janlan, du solltest dich beeilen, ich glaube nicht, dass wir hier alleine sind.«
Und da hatten wir es auch schon. Leicht war etwas, das in meinem Leben nicht existierte. Ich spitzte die Ohren, als ich mich ungeschickt auf den Boden fallen ließ. Das würde einen blauen Fleck geben, aber ich hatte ganz sicher nicht die Zeit, deswegen groß rumzujammern. Jetzt hörte nämlich auch ich das vertraute Gurgeln und Kratzen der Erdwesen. Ich verfluchte mich dafür, dass ich nicht durch bloßen Willen in die Blutsicht wechseln konnte. Wüsste ich, wie ich sie kontrollieren musste, stünden wir jetzt nicht, bereits zwei Tage später, wieder vor einer Konfrontation mit diesen kleinen, fiesen Wesen.
»Weglaufen?«, fragte ich leise und wusste ganz genau, dass das kaum möglich war. Dass Keira nach ihren Schwertern griff, bestätigte es nur. Beunruhigt musste ich feststellen, dass hier nicht besonders viel Platz war. Die Spalte wurde nach oben hin weiter. Hier unten waren es vielleicht gerade mal zwei Meter von der einen bis zur anderen Felswand. Und ansonsten gab es nur den Weg in den Tunnel, der vor uns lag oder wieder die Wand hoch. Aber das hatten wir ja bereits verworfen. Ich zuckte zusammen, als das Gurgeln aus dem Tunnel zu uns schallte.
»Bist du bereit?«
Ich schluckte hart. War ich bereit, mal wieder etwas zu töten, was früher mal ein Mensch gewesen war? Ich war nicht in der Blutsicht und damit dröhnten mir die Worte meines Gewissens mehr als deutlich in meinen Gedanken. Ich wollte nicht töten. Ganz und gar nicht. Ich spürte, wie meine Knie nachgaben, als hätte eines der Wesen mir die Sehnen durchgeschnitten.
»Janlan, jetzt ist nicht der Zeitpunkt. Wir haben beschlossen, hier runter zu kommen und wirklich weg können wir hier nicht mehr. Also bitte, Janlan, ich habe keine Ahnung wie viele da kommen, es ist also gut möglich, dass ich das alleine nicht hinbekomme. Deshalb musst du dich zusammenreißen oder tun, was auch immer du tun musst, um in die Blutsicht zu wechseln. Aber jetzt gleich umzukippen, wäre ganz sicher die schlechteste Idee.«
Während sie gesprochen hatte, hielt sie mich mit ihrem Blick fest, obwohl ich genau merkte, wie angespannt ihr Körper war. Dass ihre Knöchel um den Griff der Schwerter weiß hervortraten, half nicht gerade dabei, ihre Anspannung zu verbergen.
»Ich ... Keira ... ich kann nicht willentlich in die Blutsicht wechseln und ohne sie werde ich nicht so ... ohne sie bin ich immer noch ein Mensch. Ich kann nicht so einfach zur Mörderin werden.«
Kaum dass ich es ausgesprochen hatte, bereute ich es. Keiras Augen wurden schlagartig so kalt, dass ich eine Gänsehaut bekam.
»Also siehst du in mir eine Mörderin? «
»Keira, nein! So war das nicht gemeint.«
Panik stieg in mir auf. Die Geräusche aus dem Tunnel wurden immer lauter und Keira funkelte mich so wütend an, dass ich mir nicht ganz sicher war, ob sie nicht auf mich losgehen würde, anstatt auf die Wesen.
»Wenn ich in der Blutsicht bin, würde ich jeden töten. Ich würde keine Ausnahmen machen. Ich bin die Mörderin. Du beschützt. Du tötest nicht, weil du das Blut sehen willst oder weil dein Körper so stark danach verlangt, dass du es einfach nicht verhindern kannst. Du bist keine Mörderin, aber ich kann eine sein!«
Ich spürte, dass mir Tränen in die Augen stiegen und wurde wütend darüber. Das würde nicht weiterhelfen. Wieder einmal bewies ich, wie schwach ich sein konnte. Ich fing an zu weinen, weil ich meine eigenen Gedanken nicht ertragen konnte. Als ich meinen
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