Das Gesetz der Balance - chinesisches Gesundheitswissen für ein langes Leben
fühlte sie sich wohl und viel belastbarer. Konkrete Beschwerden zeigten sich nur bei Milchprodukten, hier war weiterhin Vorsicht geboten. Die theoretischen Erkenntnisse über Nahrungsbestandteile hatten für Frau R. an Bedeutung verloren. Die ängstlichkontrollierte Ausstrahlung der ersten Begegnungen war weg, hier saß nun eine Frau, die sich wieder anderen Dingen zuwenden konnte und nicht mehr ausschließlich auf die Nahrungsaufnahme fixiert war.
WORAN ICH ERKENNE, dass bei Frau R. eine Störung im Funktionskreis Milz vorliegt: Frau R. verarbeitet die Nahrungsmittel schlecht. Sie neigt zu Durchfall und Blähungen und leidet unter Untergewicht. Ihre emotionale Grundhaltung ist das Grübeln.
DER ZWISCHENSPEICHER
Der Funktionskreis Milz wird als Zwischenspeicher bezeichnet. In alter Zeit gab es Getreidespeicher, vor deren eigentlicher Kornkammer ein Vorraum lag, durch den der Zu- und Abtransport des Getreides stattfand. Dieser Zwischenspeicher musste immer frei und sauber gehalten werden, damit die Passage ungehindert möglich war und das Getreide nicht verunreinigt wurde.
Die Milz ist sozusagen dieser Vorraum. Damit unser Organismus funktionieren kann, wird er mit Lebensmitteln versorgt. Die aufgenommenen Lebensmittel verarbeitet er zu Nährstoffen, welche Zug um Zug an alle Körperregionen abgegeben werden. Wie der Zwischenspeicher in den alten Getreidelagern braucht auch der Funktionskreis Milz Klarheit. Er muss ständig sauber machen und den Überblick über die Lagerhaltung bewahren. Er wird unentwegt strapaziert. Denn durch jeden Nahrungsimpuls wird der Zwischenspeicher wieder belastet. So muss er ständig von Neuem aufgeräumt und sortiert werden. Bei Frau R. ist der Zwischenspeicher leer und der gesamte Organismus leidet an Mangel. Das Beispiel von Frau S. in Kapitel 1 hat uns das andere Extrem gezeigt: den überfüllten Zwischenspeicher, der durch Ballast verstopft ist und nichts mehr aufnehmen kann. Aber auch hier herrscht im Inneren des Körpers Mangel. In diesen beiden Extremen zeigt sich die zentrale Funktion der Milz für die Gesunderhaltung unseres Körpers.
DIE MITTE DES MENSCHEN
Die Chinesen nennen den Funktionskreis Milz auch »die Mitte« und sehen darin den Ausgangspunkt des Lebens. Hier kommt der interaktive Aspekt des Lebens zum Tragen: Der Mensch lebt, indem und solange er fähig ist, Stoffliches aufzunehmen und für sich zu verwerten. Im Moment des Todes erlischt die Aufnahmefähigkeit, daher stirbt der Mensch für die Chinesen in der Mitte. Wir hingegen schreiben dem Gehirn die zentrale Lebensfunktion zu und halten den Hirntod für wesentlich. Betrachtet man aber die Natur, so kann man sehen, dass die Babys im Mutterleib über die Mitte versorgt werden. Die Nabelschnur ist bekanntlich nicht am Gehirn angedockt, sondern setzt in der Mitte des Leibes an, und durch die Nabelschnur wird das Kind von der Mutter ernährt. Nach der Geburt haben Säuglinge eine sehr empfindliche Mitte.
Deshalb filtert der mütterliche Stoffwechsel alle Nahrung und produziert daraus Muttermilch, das verträglichste und schonendste Lebensmittel, das es gibt.
Unsere Mitte ist also jener Bereich, mit dem wir von klein auf Einflüsse von außen aufnehmen, stoffliche wie nichtstoffliche. Der Funktionskreis Milz ermöglicht als Zwischenspeicher die Interaktion mit der Außenwelt. Hier findet sich die Nahrung ein, aber auch Licht, Luft und soziale Kontakte konzentrieren sich hier. Alle Einflüsse kommen zuerst einmal bei der Milz an und werden dann von dort aus an die anderen Funktionskreise weitergegeben.
»Die fünf Funktionskreise erhalten ihr Qi von der Milz«, erklärt der Innere Klassiker des gelben Kaisers (Kap. 19). Als Verteilerin ist die Milz also mit allen anderen Funktionskreisen eng vernetzt.
Die körperliche Entsprechung dieses Funktionskreises liegt im Oberbauch, also in der Mitte unseres Körpers. Daher wird Buddha oft beleibt dargestellt – nicht als übergewichtig, sondern als »in der Mitte ruhend«, mit offenem Mund und geschlossenen Augen.
info
Aufgaben der Milz
Der Funktionskreis Milz ist der zentrale Funktionskreis für die Verdauung. Ihm obliegt die Verwertung der aufgenommenen Nahrung. Er verarbeitet die Lebensmittel zu Nährstoffen und versorgt mit diesen die anderen Funktionskreise und den gesamten Organismus.
Er unterscheidet die Nahrungsbestandteile, die der Organismus benötigt, von denen, die nicht benötigt werden.
Neben der Nahrung kommen auch nichtstoffliche Einflüsse
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