Das Gesetz der Knochen: Thriller (German Edition)
hatte sie zu einem straffen Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie war die Art von Mensch, die sich am wohlsten in Jeans und T-Shirt fühlte, aber im Museum trug sie immer hübsche Kostüme und darüber meist einen Laborkittel. Sie war erst sehr spät zu ihrem heutigen Beruf gekommen. Nachdem sie zuerst Hausfrau und Mutter gewesen war, begann sie, Geologie zu studieren und belegte daneben Kurse in Museumsmanagement. Ihr Job bedeutete ihr sehr viel.
»Sie machte eine Riesenszene vor allen Museumsbesuchern«, sagte Shelly. »Ich wollte Sie gerade anrufen.«
»Doc«, sagte Mike. »Es tut mir leid.«
»Mike, warum sprechen Sie und Shelly nicht ein bisschen miteinander in ihrem Büro? Ich kümmere mich um Dr. Lymon.«
Mike und Shelly zögerten einen Moment.
»Jetzt gleich«, sagte Diane mit Nachdruck.
Die beiden drehten sich um und gingen in Shellys Büro. Mike bewegte sich langsam und steif und zog ein Bein ganz leicht hinter sich her.
»Dr. Lymon, setzen wir uns doch, und Sie erzählen mir, was Sie auf dem Herzen haben.«
Diane gelang es, Annette Lymon ganz sachte beiseitezuschieben, damit sie die Tür zum Geologielabor schließen konnte, so dass die Öffentlichkeit nichts mehr von diesem Drama mitbekam. Sie hielt Dr. Lymon die Tür zum Laborbüro offen. Diese ging zögernd hindurch und setzte sich hinter den Schreibtisch, als ob sie nie mehr aufzustehen gedächte.
»Worum geht es eigentlich?« Diane zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber.
»Wie können Sie es wagen, ihn einzustellen! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass er unfähig ist, und dann geben Sie ihm meinen Job!«
»Dr. Lymon, wen ich einstelle, ist ganz allein meine Sache. Sie haben mir in mehreren Briefen erklärt, wie unzufrieden Sie mit der Arbeit hier seien und dass Sie sie gerne aufgeben möchten. Sie haben mir außerdem erklärt, dass die ganze Geologiefakultät ihre Verbindungen zum Museum kappen möchte. Ich musste also eine freie Stelle besetzen. Mike ist qualifiziert. Was Sie angeht, ist das das Ende der Geschichte. Warum wollten Sie mich also sehen?«
»Um mit Ihnen darüber zu reden, dass Sie ihm meinen Job gegeben haben.«
»Es ist nicht Ihr Job. Und Sie können nicht einfach ins Museum kommen und eine solche Szene machen. Die Besucher dieses Museums brauchen wirklich nichts von den Problemen mitbekommen, die Sie mit meinen Einstellungspraktiken haben. In Ihrem Brief haben Sie ganz klar zu erkennen gegeben, dass Sie Ihre Kuratorenstelle aufgeben wollen.« Diane versuchte ihre zunehmende Verärgerung nicht zu zeigen. Sie hoffte, dass sie sachlich, aber bestimmt klang.
Dr. Lymons Gesicht war anzusehen, dass sie nicht klein beigeben wollte. Sie streckte ihr Kinn vor und schaute Diane missbilligend an. »Darum geht es doch gar nicht. Sie mussten ihn doch nicht einstellen. Nicht ihn. Er hat versucht, mich anzumachen, wussten Sie das?«
Allmählich riss Diane der Geduldsfaden. Sie war froh, dass es in dieser Affäre einen unabhängigen Zeugen gab. »Nein, er hat Sie nicht angemacht. Sie haben ihn angemacht. Das war völlig unangemessen, und wenn Sie nicht von sich aus gegangen wären, hätte ich Sie gefeuert. Ich kann ein solches Verhalten in meinem Museum in keiner Weise dulden!«
Tränen der Wut traten in Dr. Lymons Augen. »Er lügt. Er will nur meinen Job haben. Er will es nur so aussehen lassen, als ob er das Opfer sei.«
»Mike hat mir niemals davon erzählt. Sie wurden von einem anderen Kurator beobachtet.«
Annette Lymons Augen weiteten sich. Sie schwieg eine ganze Weile. Tränen liefen ihr über die Wangen und hinterließen dort schwarze Mascaraspuren. Sie kramte ein Kleenex aus ihrer Tasche und wischte sich damit die Augen.
»Er hat mich zurückgestoßen. Wissen Sie, wie sich das anfühlt? Wie konnte er mich nach all den Jahren abweisen? Nach allem, was ich für ihn getan habe. Ich habe ihn durchs Studium gebracht.«
»Er war Ihr Student. Er schuldet Ihnen keinen Sex, Dr. Lymon.«
»Er schuldet mir nichts? Wir waren sechzehn Jahre verheiratet.«
»Was? Über wen sprechen Sie eigentlich? Mike ist doch nicht Ihr Exmann.«
Dr. Lymon schien einen Augenblick verblüfft. »Doch nicht Mike. Ransford. Ich habe alles für diesen Hundesohn getan, und dann verlässt er mich wegen dieser kleinen Schlampe.«
Diane war ratlos. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie mit dieser Frau umgehen sollte.
»Ich verstehe ja, dass Sie Ihr Mann ganz übel verraten hat. Aber das war doch nicht Mikes Schuld. Oder die
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