Das Gesetz der Knochen: Thriller (German Edition)
zurück, wohin ihm ein lachender Jonas Briggs folgte. Sylvia Mercer dagegen blieb direkt vor Diane stehen.
»Ich muss mit Ihnen sprechen. Ich hätte das schon viel früher tun sollen. Können wir uns irgendwo unterhalten?«
16
D iane führte Sylvia Mercer in das Büro ihres Osteologielabors. Sylvia rieb ihre Handflächen aneinander und setzte sich auf den burgunderroten Polsterstuhl.
»In diesem Büro bin ich noch nie gewesen.« Ihr Blick wanderte durch den spärlich möblierten Raum und blieb dann an einem Aquarell hängen, das einen grauen Wolf darstellte. »Canis lupus«, sagte sie fast flüsternd, als ob sie ihr Gedächtnis prüfen wollte. »Das ist ein sehr hübsches Aquarell.«
»Danke schön«, sagte Diane. »Ein Freund von mir hat es gemalt.«
Sylvia war Zoologin an der Bartram-Universität und eine von Dianes Teilzeitkuratorinnen. Sie war eine schlanke, athletische und energische Frau, auch wenn sie an diesem Abend vor allem voll nervöser Energie schien. Sie trug ihre Arbeitskleidung fürs Labor – Jeans und T-Shirt – und hatte ihre mittellangen braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Seit sie Diane geholfen hatte, den Mord an Franks Freunden aufzuklären, und zusammen mit ihr ein Massengrab voller Tierknochen ausgegraben und bestimmt hatte, waren sie beide fast so etwas wie Freunde geworden.
»Worüber wollten Sie mit mir sprechen?«, fragte Diane.
Sie hoffte, dass sie nicht kurz angebunden klang, aber sie war müde und ihre verdammte Wunde begann sich wieder zu melden.
Wenn Sylvia etwas dergleichen verspürt hatte, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Sie schien den Raum nach etwas abzusuchen, worüber sie sprechen konnten. Dabei fiel ihr Auge immer wieder auf den grauen Wolf, so dass Diane sich schon überlegte, ob sie ein Gespräch über Wölfe beginnen sollte, um das Eis zu brechen. Stattdessen richtete Sylvia plötzlich ihren Blick wieder auf Diane.
»Ich schäme mich für das, was ich Ihnen jetzt erzählen werde.«
»Sylvia, Sie waren doch noch nie schüchtern oder verdruckst. Sie benehmen sich ja fast wie mein Herpetologe. Haben Sie auch eine Schlange entkommen lassen?«
Sylvia musste kurz lächeln. Gleich darauf verfinsterte sich aber erneut ihr Gesicht. »Ich wünschte, es wäre so einfach. Ich hätte damit bereits zu Ihnen kommen müssen, als es passiert ist.« Sie atmete tief ein, als ob sie in kaltes Wasser springen wollte. »Eines Abends vor etwa einem Monat waren mir die Objektträger für mein Mikroskop ausgegangen. Ich wusste, dass Mike sie regelrecht hortet, deshalb ging ich hoch zum Geologielabor, um mir ein paar zu holen. Ich kam gerade rechtzeitig, um zu beobachten, wie Annette ihm in seine intimsten Teile griff.«
Diane zog die Brauen hoch.
»Armer Junge, er war so perplex wie ich«, fuhr Sylvia fort. »Glücklicherweise haben sie mich nicht gesehen – aber vielleicht war das gar nicht so glücklich. Sie hätte aufgehört, wenn sie mich bemerkt hätte. Er wollte sich erst einmal losmachen, aber offensichtlich hatte sie seine empfindlichsten Teile gut im Griff und konnte ihn dann an die Wandschränke zurückdrängen. Er bat sie loszulassen, aber …« Sylvia ließ ihren Blick wieder durch den Raum wandern. »Das ist ein solcher Mist. Ich hasse es, das Ganze zu erzählen.«
»Sagen Sie mir, was dann passiert ist.«
»Mike war eigentlich ziemlich gefasst. Er hätte ihr auf den Arsch hauen können. Er dagegen fragte sie nur, was zum Teufel sie da tue. Sie sagte ihm, er solle nicht so schockiert tun, denn das sei doch etwas, wovon alle Männer träumten. Er solle mit ihr nach Hause gehen und sie würde ihm dort die beste Zeit verschaffen, die er jemals gehabt habe.« Sylvia schaute einen Augenblick weg und schüttelte den Kopf. »Mike sagte ihr, dass er eine feste Freundin habe. Sie meinte darauf, sie sei nicht an einer Beziehung interessiert, sie wolle nur – und das sind ihre eigenen Worte – einen ›guten, harten Fick‹. Jetzt hatte Mike genug. Er ergriff ihr Handgelenk, zog ihre Hand weg und sagte ihr nur, dass ihr Verhalten ›ungehörig‹ sei. Mann, wurde sie da wütend. Ich meine richtig wütend. Ich konnte nicht alles verstehen, was sie ihm an den Kopf warf, aber es klang so, als ob er ihr etwas schulde.« Sylvia atmete tief durch. »Ich war wirklich entsetzt, aber ich habe meinen Mund gehalten, wofür ich mich jetzt wirklich schäme.«
Diane legte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und beugte sich nach vorne. »Warum haben Sie
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