Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
dass ich diese Dinge in dein Leben hineintragen muss, Alex. Es tut mir leid …«
Er hob die Hand und unterbrach sie. »Hast du nicht. Die Wahrheit ist, was sie ist. Nur eine wahre Freundin würde mich vor solchen Leuten warnen, wie sie jetzt hinter mir her sind.«
Erleichtert über sein Verständnis lächelte sie voller Mitgefühl.
»Und jetzt«, sagte er, »lass uns dort reingehen und sehen, ob wir herausfinden können, was diese Mistkerle von meiner Welt wollen.«
28
Mit einem beiläufigen und doch wachsamen Blick suchte Jax das gesamte Umfeld ab, ehe sie die Wagentür öffnete. Er sah, dass sie das gleiche ältere, sich von hinten nähernde Ehepaar taxierte, das ihm schon im Rückspiegel aufgefallen war. Als die beiden ihr im Vorübergehen zulächelten, lächelte sie zurück. Sie traute niemandem, stellte er fest, nicht einmal einem alten, das Trottoir entlangschlurfenden Ehepaar.
Er wunderte sich, dass sie ein Lächeln zuwege brachte. Er hätte das nicht gekonnt.
Alex schmiss seine Jacke auf den Rücksitz und schloss den Cherokee ab. Anschließend sah er nach der hinteren Ladeklappe und vergewisserte sich, dass sie ebenfalls verriegelt war. Er ließ seine Waffe nur ungern im Wagen zurück, wo ein Dieb sie finden und stehlen konnte, aber er hatte keine Wahl. Er besaß zwar eine Lizenz für das Tragen einer verdeckten Waffe, aber in eine Irrenanstalt konnte er sie dennoch nicht mitnehmen.
Er überlegte, was er tun würde, wenn sie am Ende gezwungen wären, den Bundesstaat zu verlassen. Seine Lizenz galt für Nebraska, nicht jedoch in anderen Staaten, und erst recht nicht in Boston, wo man es gar nicht gerne sah, wenn Leute sich eigenhändig schützten.
Wenn es um sein unverbrüchliches Recht auf Leben ging, vertrat Alex eine eindeutige Position. Seiner Ansicht nach durfte er nicht gezwungen werden zu sterben, nur weil irgendein Krimineller ihm nach dem Leben trachtete. Er hatte nur dieses eine und war fest von seinem Recht überzeugt, es zu verteidigen, ganz einfach. Ben hatte ihm beigebracht, wie.
In Anbetracht der Kerle, mit denen sie es zu tun hatte, dieser Tiere, von denen Jax ihm eben erzählt hatte, war er entschlossen, eher das Risiko einer Anzeige wegen unerlaubten Waffenbesitzes auf sich zu nehmen, als keine Möglichkeit zu haben, sich selbst und, schlimmer, Jax zu beschützen. Er war nicht bereit, sich zum Opfer der dogmatischen Prinzipien irgendwelcher selbstherrlicher Bürohengste machen zu lassen. Es war sein Leben, nicht ihres.
Aus gewissen Einzelheiten, die Jax ihm eröffnet hatte, schloss er, dass sich Cain nichts so sehr wünschte, wie sie in seine Gewalt zu bekommen. In diesem Fall würden diese Kerle mit ihr genau jene Dinge tun, die er sich, ihren Worten zufolge, nicht einmal vorzustellen vermochte. Was immer es war, er wollte es gar nicht wissen. Er war so schon wütend genug.
Die Äste der die Wohnstraße säumenden Ahornbäume und Eichen peitschten im böigen Wind hin und her und erfüllten den strahlend blauen Tag mit einem vernehmlichen Rauschen. Jax musste sich das Haar aus dem Gesicht halten, als sie mit schnellen Schritten über das Trottoir hasteten. Mit der anderen Hand hatte sie sich, ganz in der Rolle seiner Verlobten, bei ihm untergehakt.
Der Boden war nach dem Unwetter mit Laub übersät, so dass es ein wenig nach Herbst aussah, nur dass die Blätter grün waren und nicht leuchtend bunt. Da und dort lagen auf den Rasenflächen und am Straßenrand vom Sturm heruntergerissene Äste. Die Luft fühlte sich seltsam trocken an, so als trage sie bereits eine Vorahnung des nahenden Jahreszeitenwechsels in sich.
Schweigend betrachtete Jax die eindrucksvolle Straßenfassade der »Mutter der Rosen«-Anstalt, als sie die Dreizehnte Straße entlanggingen. Von den Besuchern, die auf dem Weg zu einem Krankenbesuch die breite Stufenflucht hinaufstiegen, hatten viele Blumen oder kleine, in leuchtend buntes Papier eingewickelte und mit einem Band verzierte Schachteln dabei.
Als sie am Vordereingang vorübergingen, ohne die Stufen hinaufzusteigen, warf Jax ihm einen fragenden Blick zu. »Familienangehörige, die jemanden im neunten Stock besuchen, dürfen den Hintereingang benutzen«, erklärte er ihr. »Das ist einfacher.«
»Im neunten Stock«, wiederholte sie tonlos.
Er wusste genau, was sie dachte. »Ich fürchte ja.«
Hinter der Ecke drängte sich die übliche Ansammlung von Lieferfahrzeugen auf dem kleinen Grundstück, das eigentlich kaum mehr als eine unregelmäßige
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