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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Charleville-Muskete M 1777 ausgerüstet werden. Bei der Massenfertigung dieser Standardwaffe werden wohl Schichten für die Wehrmachtsfertigung ausfallen müssen.
    Auch hier werden wir klare Prioritäten setzen! Und durchdrücken! Sonst noch ein Problem?
    Produktionsleiter Sperber hat das Gefühl, auch die Heimatfront leiste Widerstand gegen das Vorhaben. Stichwort: Fessel- oder Sperrballon. Einer der Kameramänner müsse speziell bei Schlachtszenen von einem Fesselballon herab filmen, der zugleich, über Funk, für Harlan als Befehlsleitstelle diene. Nur so ließen sich fünfzehn- bis zwanzigtausend, eventuell sogar dreißigtausend Mann gleichzeitig ins Bild bringen. Die einfachste Lösung wäre: Einer der Sperrballons über dem Urbanhafen wird eingezogen und nach Kolberg verfrachtet, dort mit einer Gondel versehen und zum Einsatz gebracht. Schon bei einem informellen Vorgespräch hätte sich die zuständige Militärdienststelle jedoch mit Vehemenz gegen »das Ansinnen« verwahrt: Die Sperrballons sollen tiefe, damit zielsichere Anflüge auf den Binnenhafen Kreuzberg verhindern.
    Der Vorschlag, vom Urbanhafen einen Sperrballon abzuziehen: absolut naheliegend! Transportkapazitäten sind erheblich eingeschränkt, also wäre es kaum sinnvoll, einen der Sperrballons an Rheinhäfen in Köln, Düsseldorf oder Duisburg einzuholen. Auch in dieser Angelegenheit wird eine Weisung des Führers hinreichend Klarheit schaffen. – Sollte noch ein Punkt auf Ihrer Liste offen sein, so wenden Sie sich bitte an Reichsfilmintendant Hinkel im Hause oder an Staatssekretär Terzenbach, Chef meines Persönlichen Stabes.

    Sehr geehrter Major Roggenkamp, um Ihre Beiträge zum D r G / VH -Faszikel angemessen würdigen und richtig einordnen zu können, müsste ich wenigstens kursorisch Einblick nehmen in das Filmskript. Dieser Wunsch wird jedoch bis auf weiteres unerfüllt bleiben, ein fertiges Drehbuch scheint noch längst nicht vorzuliegen. Aber es soll, wie Liebeneiner erwähnte, eine Vorlage geben. Ich habe, Ihrem Auftrag gemäß, Frau Gisela Limberger angesprochen – auch sie mit Dienst- und Wohnsitz im Seitenflügel.
    Die diplomierte Bibliothekarin hatte, vor meiner Zeit, die Hausbibliothek inventarisiert. Sie durfte RM auch schon mal im Sonderzug zu einer der Kunstsammelfahrten nach Paris begleiten, zum Jeu de Paume. Es war ein Leichtes, sie um »Amtshilfe« zu bitten.
    Frau Limberger ist rasch fündig geworden: Es gibt in der Tat ein Schauspiel mit dem Titel »Kolberg«. Ein überaus erfolgreiches Stück, vor dem ersten Weltkrieg bei Sedanfeiern etcetera aufgeführt, bei zahlreichen Bühnen auf dem Spielplan, vielhunderttausendfach gedruckt. Der Verfasser heißt Paul Heyse, hat 1910 den Nobelpreis erhalten und eine Unmasse von Novellen und Romanen verfasst, dazu mehrere Dutzend Theaterstücke.
    Ein Telefonanruf aus Carinhall bei der Staatsbibliothek genügte, und ein Bote überbrachte eins der grau kartonierten Exemplare. Ich habe es vorerst nur diagonal gelesen (als Flieger sollte ich eher schreiben: überflogen), aber schon bei dieser Gelegenheit sind mir Sentenzen aufgefallen, die von den Herren Harlan und Braun gewiss übernommen, zumindest adaptiert werden – dies, aller Voraussicht nach, ohne Hinweis auf die Vorlage.
    So erfolgt hiermit ein Durchgang. Dies so rasch wie im Daumenkino (demnächst womöglich die einzige Form noch funktionierender Kinos!).
    Es fängt an mit einem »schneidigen Mädel« (wie Hubalek sagen würde), das einem Leutnant des Schillschen Freikorps berichtet, es könne vor Sorge um Kolberg oft nicht schlafen, verharre am Fenster einer Nische »mit weißen Vorhängen«, mit Nähtisch, Sessel, Vogelbauer, schaue hinüber zu den Lagerfeuern der »fremden Unterdrücker«. In einer Aufwallung patriotischer Gefühle wünscht sich die Maid ein »Geschütz in der Nische« – sie möchte ihrer Vaterstadt nicht nur mit »frommen Wünschen« helfen, diese Jungfer Rose mit dem »tapfren Herz«.
    Ihr Bruder Heinrich hingegen schwärmt, seit einem Aufenthalt im »siegberauschten« Paris, von Napoleon: »Diesem Mann gehört die Zukunft einer Welt!«
    Da ist Vater Nettelbeck, sogar »als Zivilperson« beim Auftritt umjubelt, entschieden anderer Meinung, die »Mundbatterie« des alten Seemanns feuert schwere Verbalkaliber ab gegen den Feind: Falls die Herren Soldaten der überalterten Garnison »ein Kapitulatiönchen schließen wollen/So wird die Bürgerschaft den Wall beziehn«, unter Führung des jung gebliebenen

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