Das Gesetz des Irrsinns
unseren Füßen, kroch auf dem Bauch zu unseren Füßen, zog eine nasse Spur hinter sich her, aber die Glut, das Nebenhaus brannte, die Glut, die Gluthitze, die Piss-Spur in Sekundenschnelle weggetrocknet, doch in der Erinnerung, verstehn Sie, in meiner Erinnerung zieht der Dackel, dieser Dackel die feuchte Spur hinter sich her, fast im Zickzack. Und dann draußen, als die Stahltür geöffnet wurde, Feuer, nur Feuer, haushoch, haushoch, und das Pferd, mitten auf der Straße, ein Karrengaul, jetzt so klein, so klein geworden in der Gluthitze wie ein Pony, geschwärztes Pony, ich seh das, seh das immer wieder, kann mich nicht dagegen wehren, die Bilder tauchen auf, drängen sich auf, während ich schneide, die roten Markierungen im Drehbuch, allerlei Markierungen, eigentlich müsste ich die Schnitte sammeln, trotz Verbot, und drüben vor dem Eingang zur Reichskanzlei kipp ich das Zelluloid aus, all das Zelluloid, zünd es an, wuff, aber da käm sofort einer rausgeschossen aus dem Riesenbau oder es würde gleich auf mich geschossen, also, ich werf die Schnittsequenzen nur weg, da schaut der Minister schon mal in den Abfallbehälter, scheint zufrieden, weil es sich da kringelt, steht dann dicht hinter mir, ich muss vorführen, wie ich einen Übergang, mal wieder einen Übergang hingekriegt habe nach dem Schnitt. Je mehr ich da rausschneide, desto mehr Bilder werden mir in den Kopf – der Dackel auf dem Bauch, kriechend, pissend, das Pferd, der Gaul, der Karrengaul, in der Gluthitze geschrumpft, geschrumpelt, so klein wie ein Pony, brandschwarzes, hier und da aufgeplatztes Pony, und was wird noch alles dazukommen, an Bildern, die sich einbrennen, hier in Berlin, allein hier in Berlin, ich hab gestern eine halbe Stunde, fast eine halbe Stunde am Schneidetisch gesessen, konnte keinen Finger mehr rühren, ein Pfannkuchen, sowas wie ein Pfannkuchen, ein klebriger Pfannkuchen pappte fest auf dem Gesicht, ich kriegte kaum Luft, klebte fest, klebte fest am Gesicht, wirklich, fühlte sich an wie ein Pfannkuchen, ans Gesicht gedrückt und festgeklebt, vielleicht verstehn Sie jetzt, weshalb ich nicht weiter, wirklich nicht weiter, verstehn Sie, all das hier, das alles hier, verstehn Sie, ich kann nicht mehr, ich, der Film, also ich – «
Da legte Harlan auf.
Überwachungsergebnis Ortsgespräch Generaloberst Jodl, FHQ u und Dr. G., RMVP . In ungewohnt scharfem Ton stellte Jodl die Frage, wann der Kolberg-Film endlich mal das Licht der Öffentlichkeit erblicke. Jodl fühlt sich düpiert: Hat das Projekt unterstützt, indem er Frontverbände abzog, damit eine zeitweilige Schwächung der HKL in Kauf nahm, zuletzt auch noch mit dem total überflüssigen Abzug der Division 453 . Das alles sollte ja, laut Goebbels, durch mobilisierende Wirkung des Films aufgefangen werden. Dies sei längst überfällig! In Anbetracht der absoluten gegnerischen Überlegenheit sei die Truppe weithin resignativ, ja mutlos.
Er ließ Angaben folgen zur Lage vor allem im Osten. Die Frage, ob mit der erheblich geschwächten Truppe ein Angriff zur Entlastung von Ostpreußen durchgeführt werden kann, ist geprüft worden, hat jedoch wegen der ungleichen Kräfteverhältnisse die Unmöglichkeit des Unternehmens ergeben. Für die Heeresgr. Nord besteht zudem akuter Betriebsstoffmangel, auch hier droht der Großnotstand. Der Gegner schiebt sich in Richtung der Anlage Wolfsschanze vor, die bereits im November geräumt und gesprengt worden ist. Überhaupt ist die Lage im Osten durch Zurücknahme aller Fronten gekennzeichnet. Es erfolgen kaum noch fronttaugliche Ersatzzuführungen: Admiral Dönitz lässt auf ausgemusterten Schiffen zurückgelassene Waffen zusammensuchen für Matrosen, die nach wenigen Tagen Ausbildung dem Bodenkrieg zugeführt werden. Auch in der Luftwaffe wird ausgekämmt und eingesammelt, neu formierte Trupps werden ohne ausreichende infanteristische Ausbildung, erst recht ohne jegliche Kampferfahrung an die Front, ins Feuer geschickt.
Ich erweitere (oder verenge) diese Lageanalyse durch (zumeist fragmentarische) Berichte von Breslauer Mitarbeitern über den Rückzug.
Breslau war bereits im Herbst zur Festung erklärt worden – der Festungsbefehl, der mittlerweile für weitere zwanzig Städte ausgegeben wurde, gemäß Weisung des Führers: »Ganz Deutschland muss unverzüglich zu einer einzigen tiefgestaffelten Festung werden.«
In Breslau wurde den Bewohnern erklärt, es sei mit einem vorübergehenden Feindeinbruch zu rechnen, der in
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