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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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für Orgel und Streicher als Klang-Vollbad. Auch er scheint nicht aufgemuckt zu haben: Was sind denn das für Harmonien …?! Das kann doch nicht von einem Barockkomponisten stammen …!
    Was Giazotto intendierte: »betont mystische Stimmung«, das wurde Interpretation um Interpretation eingelöst. Am pompösesten vielleicht von der Academy of St. Martin in the Fields, unter der Stabführung von Iona Brown. Das hört sich an, als hätte Morricone sich vorgenommen, mal so richtig sinfonisch zu komponieren. (Was er ja auch getan hat, vor und nach den gänsehauterregenden Mundharmonikasequenzen aus »Spiel mir das Lied vom Tode«). Die Musik wurde, stilistisch passend, schon in mehreren Filmen verwendet. Dem Stimmungsgehalt des Barock-Schnulli entsprechend wird das Adagio auf dem CD -Markt angeboten auch unter Locktiteln wie »Spiegel der Stille« oder »Zeit für Wellness«. Was einige Rückschlüsse zulässt auf die Tonsprache.

    Zur relativ frei entwickelten Geschichte des ostbelgischen Fälschers Verdonck drei Hinweise.
    In der Charakterisierung des Bruders von Reichsmarschall Göring folge ich der Biographie von James Wyllie,
Albert Göring,
Essen 2006 .
    Hier finde ich folgendes charakterisierende Zitat: »Ich habe einen Bruder in Deutschland, der sich mit diesem Bastard Hitler eingelassen hat und mit dem es ein böses Ende nehmen wird, wenn er so weitermacht.«
    Als Bruder des Kriegsverbrechers Göring wurde auch Albert, Topmanager der Skoda-Werke, in einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse angeklagt. Eine kurze Sequenz aus dem Verhörprotokoll.
    »Was sagte Ihr Bruder, wenn Sie ihm von den schrecklichen Dingen erzählten, die den Juden passierten?
    Nun, seine Reaktion war immer, dass diese Dinge übertrieben würden, er habe genaue Berichte darüber. Er sagte mir, ich solle mich nicht in Staatsdinge einmischen.
    Aber er leugnete nie, zu wissen, dass solche Dinge passierten?
    Nein, er leugnete sie nie. Er verharmloste sie nur.«

    Zum Thema Fälschungen im Reich der Bildenden Künste gibt es zahlreiche Publikationen. Ich nenne eine von ihnen, stellvertretend: Sepp Schüller,
Fälscher, Händler und Experten.
München 1959 .
    In diesem Buch selbstverständlich auch ein ausführliches Kapitel über Han van Meegeren, der als Fälscher besonders große Publizität errang, nach dem Zweiten Weltkrieg.
    In der Leserschaft meiner Geschichte könnten sich Assoziationen einstellen zu diesem Fall. Hat van Meegeren Modell gestanden für Verdonck? Jede Fälschung arbeitet mit der freien Adaptation und Kombination von Vorlagen – ist das auch hier geschehen?
    Das verbindende Stichwort ist der Vorwurf, der Anklagepunkt: Kollaboration mit dem (deutschen) Feinde. Zu diesem Stichwort führen zwei verschiedene, kaum parallele Linien.
    In (beschlagnahmten) Geschäftsbüchern der renommierten Galerie Goudstikker entdeckten Fahnder 1945 folgenden Vermerk: Vermittelt durch Han van Meegeren wurde 1942 ein Gemälde des Johannes Vermeer van Delft an Reichsmarschall Göring verkauft: »Christus und die Ehebrecherin«. Kaufpreis: 1600000 Gulden. Umgerechnet 2,1 Millionen Reichsmark. In der Kaufkraft wären dies, nach einer generellen Umrechnung von Götz Aly, heute etwa 21 Millionen Euro.
    Die raren Gemälde des Vermeer galten als niederländischer Nationalbesitz, durften nicht ins Ausland verkauft werden, schon gar nicht ins damals feindliche. Der Vermittler demnach als Kollaborateur? Ein damals schwerwiegendes Delikt. Van Meegeren versuchte sich herauszureden, erfand diverse Geschichten zur Provenienz, doch alle Winkelzüge machten ihn nur verdächtiger, er wurde nach mehreren Verhören in Haft genommen, vor Gericht gestellt.
    In die Enge getrieben, sah er sich zu einer sensationellen Erklärung gezwungen: »Das in Görings Besitz gelangte Gemälde, die Darstellung ›Christus und die Ehebrecherin‹ ist nicht, wie Sie annehmen, ein Vermeer van Delft, sondern ein Han van Meegeren! Ich selbst habe das Bild gemalt.« Was ihm erst mal nicht geglaubt, nicht abgenommen wurde. Und schon gar nicht, dass er weitere Gemälde des Vermeer (auch eines Franz Hals und Pieter de Hooch) gefälscht hatte. Van Meegeren musste argumentativ nachbessern: »Ruhelos getrieben durch eine angsterregende Einbildung, hervorgerufen durch eine zu geringe Anerkennung, beschloss ich an einem unglückseligen Tage, mich an den Kunstkritikern zu rächen. Ich fasste den Plan, ein Gemälde zu schaffen, vollkommen in meinem eigenen Stil und nach meiner eigenen

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