Das Gesetz des Irrsinns
zu übergehen!
Zusätzlich lockten damals, locken weiterhin Sätze wie aus einer Realsatire: »Auf einer guten Arbeitsunterlage (Abdruck) eine schlechte prothetische Arbeit herzustellen, ist sicher ebenso möglich wie eine gute. Auf einer schlechten Arbeitsunterlage aber eine gute Arbeit herzustellen, das gelingt nur selten und nur begnadeten, intuitiven Künstlern.«
Und all die Fachausdrücke! Noch nie hatte ich von einem kapitalbindenden Zahnlager gehört oder von Zahnauswahlsendungen. Von einem Watterollespender, einem Kappenglas, einer Warmmediumspritze, einem Fahrfuß, einem Saughandstück, einem Speichelzieherschlauch und einer Schublade mit Träger für 24 Mundlöffel.
Folgt ein Ausschnitt aus der Collage: Sprache, die keine »Stunde Null« kennt, Sprache, die über beinah drei Jahrzehnte hinweg Mentalität einer Sektion konservativer Zahnärzte dokumentiert, in meiner Geschichte repräsentiert durch drei Generationen von Besitzern und Geschäftsführern des Dentallabors Hanrath. Mentalitäts-Symbiose.
»Es lohnt sich ein Rückblick in die fast noch heile Welt bis etwa 1968 / 69 . Damals war die natürliche Führungsrolle des Zahnarztes noch nicht angetastet. Nun aber ist ein Kern der Unsicherheit über die deutsche Zahnärzteschaft gekommen. Bereits 1969 kam der schwelende Konflikt um die Kieferorthopädie an die Oberfläche. In dieser Zeit hatte auch auf dem Sektor der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde das Wetterleuchten begonnen. Dunkle Wolken ziehen auf.
Natürlich, man muss es einmal offen aussprechen, spielt der Neid eine nicht unwesentliche Rolle. Das in Intensivstunden erarbeitete Gesamthonorar war in der Öffentlichkeit immer wieder Anlass zu hämischen Bemerkungen über das ›viel zu hohe Einkommen‹ der Zahnärzte. Immer wieder der Appell an den Neidkomplex, sattsam bekannt aus der Kieferorthopädie-Diffamierung. Immer wieder das Verschweigen der Tatsache, dass wir bei der Steuerprogression eine von drei Füllungen zur höheren Ehre des Fiskus machen. Die Fürsorgeeinrichtungen unserer Kammern können ein Lied von Zahnärzten singen, die trotz jahrzehntelanger Fronarbeit plötzlich vor dem Nichts standen.
Um nun gesellschaftspolitisch wirksam vorgehen zu können, müssen wir auch die Patienten an unserer Seite haben. Durch entsprechende Auslagen in unseren Wartezimmern sowie durch Gespräche mit den Patienten müssen wir strikt alle antiärztliche Propaganda zurückweisen. Es gilt vor allem, dies in breiten Bevölkerungskreisen bewusst zu machen: Wenn wir dem neidgeborenen Wunsch nach Einschränkung folgen, so würden unsere Patienten auf der Straße schreien vor Schmerzen an leider nicht behandelten Zähnen. Zu dieser psychologisch idealen Ausgangssituation gehört nun unabdingbar, dass der Patient selbst und allein für die Entschädigung aufzukommen hat. Nur so hat der Patient die Gewähr dafür, das sich der Arzt nach bestem Wissen und Gewissen ihm allein widmet, dass auch der Zahntechniker des gewerblichen Labors sich hinter dem Werkstück immer den Patienten vorstellt, dass nur so das Ziel gewahrt bleibt, noch bessere Prothetik eingliedern zu können durch die leicht mögliche Demonstration der Ergebnisse im Munde.
Im Kampf um diese Werte fällt gerade dem Zahnarzt eine natürliche Führungsrolle zu. Auf Grund seiner Ausbildung, seiner Weiterbildung beansprucht der Zahnarzt einen Status, der ihn a priori aus manchen anderen Bevölkerungsgruppen hervorhebt. Das hat nichts mit Hypertrophie zu tun, sondern entspricht seinem natürlichen Range. Seinem Leitbild entsprechend hat der deutsche Arzt und Zahnarzt als Akademiker einsam seinen Weg zu sehen und zu gehen. Als Lohn ist ihm die stillschweigende Bewunderung weiter Bevölkerungskreise sicher. Diesen natürlichen Rang gilt es zu wahren und zu nutzen. Denn wir brauchen dringend und geradezu lebensnotwendig straffere und konzentriertere Führungsprinzipien.«
Deportation auf dem Fahrrad. Sie hat tatsächlich stattgefunden! Hier die Quelle: Eric A. Johnson,
Der nationalsozialistische Terror,
Berlin 2001 .
Der amerikanische Historiker hat sich, motiviert durch günstige Aktenlage, konzentriert auf die Tätigkeit der Gestapo in Köln und Krefeld. In drei Zeilen der mehr als sechshundert Seiten sein Hinweis auf die erste Phase der Deportation einer (namentlich nicht genannten) Jüdin durch den »Judenreferenten« der Geheimen Staatspolizei Krefeld, Richard Schulenburg, 65 . »Die überlebende Tochter einer Krefelder Jüdin schilderte mir,
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