Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
eventuell nützlich machen können, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Doch nachdem die Quarantäne aufgehoben worden war, beschloss Rasser, Maßnahmen zu ergreifen – ein Entschluss, der durch einen unangenehmen Vorfall bestärkt worden war.
In Schreiberstadt gab es nur wenige Orte, an denen man sich treffen konnte. Die Bars der Einheimischen befanden sich im Viertel unweit der Brücke, wohin ein Mitglied der Botschaft niemals seinen Fuß setzen würde (glaubte zumindest Rasser; Ida Soener hätte ihm sagen können, dass dem nicht so war). Dann gab es zwei Hotels mit Restaurant und Bar. Jetzt gab es nur noch ein Hotel, die »Meerjungfrau«. Und nach der Ballerei, die drei Händler das Leben gekostet hatte, waren die Soldaten dort keine gern gesehenen Gäste mehr.
Rasser sagte sich, dass es eine gute Idee wäre, das Ende der Quarantäne dort mit seinen Frauen zu feiern, auch wenn das Hotel nichts Außergewöhnliches zu bieten hatte. Die Sitze bestanden aus großen Bänken, die die Einheimischen gezimmert hatten, die Musik war viel zu laut und zu vulgär, und die Getränke waren mittelmäßig. In den meisten zivilisierten Welten wäre die »Meerjungfrau« allenfalls eine Kaschemme in einem der berüchtigten Viertel unweit des Astroports gewesen. In Schreiberstadt aber besaß das Hotel die einzige Bar in der Stadt. Deshalb zog es ein Publikum an, das diese Bar unter anderen Umständen niemals betreten hätte.
Kaum saßen alle drei auf der Holzbank ohne Rückenlehne, kam der Eigentümer zu ihnen an den Tisch. Er war ein vulgäres Individuum und schlecht erzogen, und nach seinem Akzent zu urteilen, kam er aus der Provinz.
»Exzellenz, können Sie den Soldaten nicht verbieten, in die Meerjungfrau zu kommen? Sie verderben mir das Geschäft, weil andere Gäste das Lokal dann fluchtartig verlassen.«
»Aber die Soldaten sind auch doch gute Gäste, oder?«
»Wenn sie nicht auf Pump essen und trinken ... Aber ich verliere trotzdem Geld. Sämtliche Zimmerreservierungen wurden wegen der Epidemie annulliert, und wenn ich jetzt auch noch auf die hier wohnenden Gäste verzichten muss ...«
»Was soll ich tun? Ich habe die Krankheit doch nicht zu verantworten!«
»Natürlich nicht, obwohl mir zu Ohren gekommen ist, dass Sie den Shiro-Ärztinnen nicht zuhören wollten. Viele glauben, es sei auf einen Fehler der Botschaft zurückzuführen, dass es so viele Opfer gab. Und die Leute vergessen auch die Zivilisten nicht, auf die die Föderation grundlos das Feuer eröffnet hat. Wenn jetzt auch noch die einzige Bar und das einzige Restaurant in Schreiberstadt geschlossen werden muss, weil Sie einen Fehler gemacht haben ...«
Der Mann schien mit dem Reden gar nicht mehr aufhören zu wollen.
»Ich bin nicht der Befehlshaber der Armee«, unterbrach Rasser ihn schroff. »Wenden Sie sich an Kapitän Aber.«
»Ihr Titel lautet doch ›Bevollmächtigter Botschafter‹, oder?«
Um das Ganze zu beenden, beschloss Rasser, den Abend lieberdoch zu Hause zu verbringen. Seine erste Ehefrau bestärkte ihn darin.
In der Botschaft ließ er Aber zu sich kommen. Dieser erschien in Uniform, korrekt wie immer, eine Eigenschaft, die Rasser anfangs geschätzt hatte, die ihm mittlerweile aber auf die Nerven ging. Während alle anderen in ihren zerknitterten Gewändern schwitzten, lief der Kapitän geschniegelt und gestriegelt herum. Wie machte er das nur? Außerdem ließ er sich einen Bart wachsen, seitdem sie an Land gegangen waren, zweifellos, um sich damit von den Einheimischen abzugrenzen, die zumeist rasiert waren.
Als Rasser ihn dort sitzen sah – lächelnd, die Brust herausgestreckt und damit beschäftigt, an seinem Bart zu drehen –, stieg dumpfer Zorn in ihm auf.
»Sind die Impfungen beendet?«, fragte er.
»Ja, alles ist in Ruhe und Ordnung vonstatten gegangen. Meine Männer waren absolut effizient. Wie immer.«
Der Botschafter starrte seinen Gesprächspartner an, der sehr zufrieden mit sich zu sein schien.
»In der schwierigen Phase, die nun hinter uns liegt, habe ich es vorgezogen, keine Fragen zu stellen«, sagte Rasser. »Wir alle waren in Gefahr, und es erschien mir opportun, nicht zusätzlich Meinungsverschiedenheiten unter uns hervorzurufen. Nun aber hat sich die Lage normalisiert. Können Sie mir sagen, warum ein Schuss aus dem Plasmagewehr auf eine Gruppe von Zivilisten abgegeben wurde und welche Maßnahmen Sie ergreifen wollen, um gegen den Schuldigen vorzugehen?«
»Es ist nicht erwiesen, dass die Zivilisten unbewaffnet
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