Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
den Passierscheinen stecken. Ich würde zu gern wissen, was oder wen sie suchen.«
Der Soldat hatte nun lange genug in seinen Kommunikator gesprochen. Er gab ihnen zu verstehen, dass sie willkommen seien, und folgte ihnen mit neugierigen Blicken. Das Haupttor öffnete sich, und ein gut aussehender brauner Mann bat sie herein.
»Treten Sie bitte ein«, sagte er. »Seine Exzellenz wird gleich bei Ihnen sein.«
Er trat beflissentlich zur Seite, um die Tür für die beiden Besucher offen zu halten, und führte sie in den Empfangsraum der Botschaft, in dem unbequeme und unpraktische Möbel standen. Der junge Mann bot ihnen Platz auf dem Polstersofa und eine Erfrischung an, erntete in beiden Fällen aber eine freundliche Ablehnung. Nachdem er sich nach einer Verbeugung zurückgezogen hatte, bemerkte Suvaïdar:
»Man könnte meinen, er hat vor irgendetwas Angst.«
»Vor uns, O Hedaï. Das ist Soener. Er kam vor sechs Trockenzeiten nach Niasau und ist mit einer Asix zusammen, die ihm offenbar erzählt hat, dass die blutdürstigen Shiro sehr gefährlich werden können.«
»Schon lustig, dass jemand Angst vor mir hat. Ich habe es mit dem Säbel in der Hand noch zu nichts gebracht«, erwiderte sie und stellte zufrieden fest, dass Oda in Sachen Humor Fortschritte machte. Anstatt wie üblich eine Maxime der Akademie herunterzuleiern, zeigte er den Anflug eines Lächelns.
Rasser erschien nach wenigen Minuten. Seinen Schmuck trug er nicht mehr. Wahrscheinlich war er bei diesen Temperaturen, die der Botschafter nicht gewohnt war, nur lästig. Auch bei seinem leichten Make-up, das auf dem Raumschiff immer perfekt gewesen war, war er nachlässig geworden. Das war im Übrigen bei allen Bewohnern der Fall, weil die Schminke durch den Schweiß zu einem Schmierfilm zerlief.
Man tauschte Höflichkeitsfloskeln aus. Dann wandte der Botschafter sich an Oda und fragte:
»Habe ich das Vergnügen Ihres Besuchs einzig Ihrem Wunsch zu verdanken, unsere Bekanntschaft wieder aufzunehmen, oder möchten Sie mir etwas Bestimmtes mitteilen?«
Die Antwort gab Suvaïdar.
»Wir sind gekommen, um Sie zu fragen, aus welchem Grund Sie Männer mit Waffen patrouillieren lassen und mit welchem Recht Sie den Ta-Shimoda das Tragen von Passierscheinen auferlegt haben.«
Der Botschafter lächelte sie höflich an.
»Möchten Sie nicht mit meinen Frauen im Garten plaudern, während Herr Huang und ich uns über ernste und ärgerliche Dinge unterhalten?«
»Wie können Sie es wagen ...«, brach es aus Oda heraus, doch Suvaïdar unterbrach ihn:
»Seine Exzellenz hatte sicher nicht die Absicht, mich zu beleidigen. Er weiß über unsere Sitten nicht Bescheid.«
»Meine Worte sollten Sie nicht verletzen«, bekräftigte Rasser ein wenig überrascht. »Sollte ich unhöflich gewesen sein, bitte ich Sie um Vergebung. Ich war mir dessen nicht bewusst. Es liegt mir fern, es Frauen gegenüber am nötigen Respekt fehlen zu lassen.«
»Ich bin nicht beleidigt, aber würden Sie bitte meine Frage beantworten?«
Rasser hätte gern ausführlicher darüber gesprochen, aber er hielt sich zurück. Er erinnerte sich daran, was Soener und N’Tari ihm erzählt hatten.
Die Shiro schienen nicht mehr dieselben Personen zu sein, die er auf dem Raumschiff kennengelernt hatte. Sie fixiertenihn mit Augen, die so ausdruckslos waren wie Obsidiansteine. Und die Hand des Mannes lag nachlässig auf seinem Messerfutteral, das er – wie seine Schwester auch – am Gürtel trug. Sicher, ein Wink würde reichen, und ein Wachsoldat, mit Lasergewehr und Paralysator ausgestattet, würde hereinkommen. Aber Rasser war überzeugt, dass die Ta-Shimoda sich nicht würden einschüchtern lassen. Das Risiko, dass ein Shiro dabei starb – ein unangenehmer Vorfall, der unter den Einheimischen für Unruhe sorgen würde –, oder noch schlimmer, dass er verletzt wurde, war zu groß.
»Es handelt sich nur um einen Ordnungsdienst«, antwortete Rasser verlegen.
»Ich weiß ja nicht, ob Ihre Landsleute überwacht werden müssen, aber wir hatten so etwas bis jetzt nicht nötig, und daran hat sich nichts geändert. In den Vierteln der Asix ist ein solcher Wachdienst auf jeden Fall überflüssig. Einige junge Leute sind der Ansicht, dass eine derartige Vorgehensweise die Ehre der Ta-Shimoda schädigt, sodass die beschlossen haben, ebenfalls auf Patrouille zu gehen. Es besteht die Gefahr, dass es zu Zwischenfällen mit Ihren Soldaten kommt. Deshalb bitte ich Sie inständig, diese Verordnungen sofort wieder
Weitere Kostenlose Bücher