Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
sich rückzuversichern.«
»Mach nicht den Fehler, diese Männer zu unterschätzen«, erwiderte Suvaïdar. »Sie sind keine Trottel. Sie haben hier das Sagen, und niemand stellt sich ihnen in den Weg. Allerdings sind sie arrogant und selbstsicher, deshalb unterlaufen ihnen solche Flüchtigkeitsfehler. Aber sie werden ihren Irrtum rasch erkennen und wiederkommen. Deshalb lasst uns gehen.«
»Wohin?«, fragte Tichaeris.
»Wir gehen zu Fuß zum Astroport.«
»Zu Fuß? Aber das sind gut zwanzig Kilometer!«
»Mehr sogar. Wir müssen hinten herum am Astroport vorbei über alle Start- und Landebahnen. Dort sind wir in Sicherheit, denn der Astroport gehört zu den Freien Handelsbereichen und ist extraterritorial.«
Die Gruppe vor dem Turm löste sich auf. Viele nahmen den Aufzug, andere gingen in Richtung Stadtzentrum mit seinen belebten Straßen.
»In welcher Richtung liegt denn der Astroport?«, fragte Oda.
Suvaïdar wies gen Norden und machte sich als Erste auf den Weg. Sie hinkte, und Win betrachtete nachdenklich ihre Sandalen, in denen sie – anders als die auf diesem Planeten gebürtigen Frauen – ohne Grazie dahinschwankte, weil sie nur mit Mühe das Gleichgewicht halten konnte.
»Mit den Schuhen kommst du nicht weit ...« Einen Augenblick zögerte Win; dann zog er seine Stiefel aus und reichte sie ihr.
»Und du? Willst du barfuß gehen?«
»Besser ich als du. Nimm schon, tu mir den Gefallen.«
Suvaïdar streifte die Stiefel über und erlebte erneut jene Empfindung, die sie vergessen zu haben glaubte: Sie fühlte die Daïbanfaser, rau, aber nicht unangenehm. Sie schnallte die Stiefel enger, indem sie um jeden Fuß eine Art Schnürsenkel wickelte, mit dem man normalerweise die Waden verengte.
Dann ging sie mit ihren Begleitern durch das Zentrum, das völlig überlaufen war – nicht nur mit Raumkapseln, sondern auch mit Fußgängern, Bars, Clubs, Restaurants, Bordellen und andere Etablissements. Sie hatten die ganze Nacht geöffnet und wurden bis in die ersten Stunden der Morgendämmerung frequentiert.
Sie kamen gut voran, verborgen in einer Menschenmenge ausden verschiedensten Rassen von den unterschiedlichsten Planeten, Wesen mit allen möglichen Haut- und Haarfarben, mit oder ohne Make-up, mit den unterschiedlichsten Kleidungsstilen und allen Arten von Schmuck. In diesen Innenstadtvierteln verkehrte die bessere Gesellschaft der Stadt; Suvaïdar und die anderen waren also in Sicherheit, denn die Patrouillen setzten sich nicht aus den Mitgliedern der Spezialeinheiten zusammen, sondern aus Polizisten – und diese hatten die Order, unter allen Umständen höflich und zuvorkommend zu bleiben. Ohne triftigen Grund würden sie Suvaïdar und die anderen nicht festhalten. Es war ihre Pflicht, den reichen Touristen und der ortsansässigen Crème de la Crème mit Achtung zu begegnen. Obwohl die Ta-Shimoda nach Wahie-Kriterien kaum besser gekleidet waren als Bettler, konnten die Polizisten nicht wissen, ob es sich bei ihnen womöglich um fremde Diplomaten handelte, die einer Armutssekte angehörten, oder ob unter den derben Baumwollhosen nicht irgendein Machthaber eines relativ unbekannten Planeten steckte, der mit einer Eskorte unterwegs war.
Aus den offenen Türen der Etablissements drangen süßliche Düfte, die Win zum Niesen brachten, und eine Geräuschkulisse – eine Mischung aus Stimmen und trunkenem Lachen inmitten ohrenbetäubender Musik –, die nahezu ununterbrochen erschallte. Wenn die Töne eines Synthesizers verebbten, folgten gleich die nächsten, wieder vollkommen anderen. Die beiden Melodien überdeckten einander einen kurzen Moment, als würden sie darum kämpfen, den Sieg davonzutragen. Klang das Ganze für die Ohren eines Shiro eher langweilig, wurde diese Kakophonie für das feine Ohr eines Asix zu einer wahren Tortur – so unerträglich, dass Win jedes Mal schmerzhaft das Gesicht verzog.
»Warum reparieren die Leute hier ihre Maschinen nicht?«, fragte er. »Wenigstens sollte man sie abschalten. Wenn diese Leute sie immer weiterlaufen lassen, gehen sie kaputt.« Er verzog das Gesicht. »Wenn sie die Dinger wenigstens ölen würden! Dann wäre das Gequietsche nicht so laut.«
»Für einen Asix ist dieser Gedanke gar nicht mal so dumm«,brummte Tichaeris. »Diese Fabriken machen wirklich ein höllisches Getöse, und was sie produzieren, das stinkt. Was stellen sie her?«
»Das sind keine Fabriken«, entgegnete Oda. »Das ist überflüssiges Zeug.«
»Was denn? Die Maschinen
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