Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
produzieren nur Lärm? Wozu?«
»Einfach so. Schließlich sind die Leute hier Barbaren.«
»Aber nein«, sagte Suvaïdar. »Die Bewohner dieser Welt haben die Angewohnheit, sich mit duftenden Flüssigkeiten zu besprühen, die sehr teuer sind. Sie lieben es auch, sich zu treffen, um Musik zu hören, die für euch Lärm ist und die von Instrumenten gemacht wird, die zu nichts anderem dienen, als Töne zu produzieren wie die, die ihr jetzt hört.«
Tichaeris war dermaßen fassungslos, dass sie die für eine Shiro typische Reserviertheit ablegte und fragte:
»Das ist ja ekelhaft! Wie konntest du dieses Leben nur so lange ertragen?«
Suvaïdar hielt es für besser, das Thema zu wechseln.
»Wartet das Raumschiff, mit dem ihr gekommen seid, auf euch?«, fragte sie.
»Nein. Ich sagte ja schon, dass es ein Frachter war, und der ist wieder losgeflogen, nachdem er entladen hatte. Der Kapitän wusste ja nicht einmal, dass Oda Adaï mit an Bord war. Wir waren im Schlafsaal der Asix-Besatzung eingeschlossen, und sie haben uns in einem Container herausgebracht.«
»Und Win? Haben sie nicht bemerkt, dass ihnen ein Mann aus der Besatzung fehlt?«
»Ach was! Für einen aus der anderen Welt sind alle Asix gleich. Win hat seine Papiere mit einem anderen Asix getauscht, der mit uns zusammen auf einem Transportschiff ankam, das in ein paar Tagen wieder nach Ta-Shima aufbricht. Übrigens, unter den Passagieren waren auch der neue Botschafter und sein Gefolge. Kaum zu glauben, wie viele Sachen sie dabei hatten. Jedenfalls, der Transporter ist in der Umlaufbahn, denn der Astroport ist zu überfüllt, um dort zu landen. Aber der Pendelverkehr ist ständig unterwegs. Wir müssten ohne Probleme an Bord gehen können.Win ist ja jetzt als Mitglied der Besatzung registriert, und wir alle als Passagiere.«
»Wir alle?«, fragte Suvaïdar. »Heißt das, ihr habt mich bereits als Passagier registrieren lassen, bevor ihr mich überhaupt getroffen habt?«
»Nun ja ... ich konnte mir nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der ein ausdrückliches Bittgesuch des Rates ignoriert«, sagte Tichaeris und fügte verlegen hinzu: »Natürlich war es nicht meine Absicht, dir eine Entscheidung aufzudrücken oder dir einen Befehl zu erteilen. Bist du nun zufrieden, oder möchtest du die Diskussion im Fechtsaal fortführen?«
»Hör zu, Suvaïdar«, sagte Oda streng, »es lohnt sich nicht, darüber zu diskutieren – es sei denn, du hast hier Freunde, bei denen du wohnen und denen du vertrauen kannst, dass sie dich nicht denunzieren.« Er sah Suvaïdar fragend an, worauf sie den Kopf schüttelte. »Siehst du? Das Beste ist, du begleitest uns bis zum Raumschiff. Wenn sich zeigt, dass es sich um ein Missverständnis handelt, kannst du bei der ersten Gelegenheit zu deiner Wohnung zurück. Sollten jedoch die Milizen bei dir auftauchen, wäre es ratsam, für einige Zeit zu verschwinden. Die wären bestimmt nicht so zahlreich erschienen, hätte es sich um eine einfache Vernehmung gehandelt.«
Während sie weitergingen, drehte der Asix den Kopf immer wieder von rechts nach links. Seine Augen waren noch runder als ohnehin schon, denn er wollte all die unbekannten Dinge in sich aufnehmen. Sie faszinierten ihn und beunruhigten ihn zugleich: die leuchtenden Wolkenkratzer aus einem farbigen, synthetischen Material; die Werbehologramme, die plötzlich so hell wie Flammen in der Luft aufblitzten; die Cafés und die anderen Etablissements; die Gleise mit den Waggons, die so leise und schnell auf Luftkissen dahinglitten; die Geschäfte, die Waren aller Art anboten und von denen er sich bei den meisten gar nicht vorstellen konnte, wozu sie eigentlich gut sein sollten.
Er setzte zu einer Frage an: »Wozu dient ...«
Aber Tichaeris zischte ihn an: »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst keine dummen Fragen mehr stellen?«
Als mit einem Mal ein Hologramm vor Win auftauchte, ein riesiges Kaninchen – ein in Ta-Shima unbekanntes Tier –, das ihm eine farbige Flasche reichte, machte er einen Satz nach hinten und prallte gegen Tichaeris, die daraufhin zum Messer griff.
»Das ist nur Reklame«, sagte Suvaïdar hastig und versuchte zu erklären, was genau das bedeutet.
»Ich verstehe nicht«, sagte Tichaeris, ein wenig beschämt, so überreizt reagiert zu haben. »Warum wollen sie die Menschen davon überzeugen, lieber das eine statt etwas anderes zu trinken? Wenn ich Wasser möchte, dann trinke ich Wasser, und wenn ich Wein oder Fruchtsaft möchte, dann trinke ich Wein
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