Das Gesicht der Anderen
Vergangenheit, aber jetzt muss es sein. Wegen und für Leslie Anne. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um sie davon zu überzeugen, dass – obwohl
er
ihr biologischer Vater ist – sie nicht seine Tochter im vollen Wortsinn ist.”
“Hättest du nur Charlie geheiratet …”
“Wie hätte das funktionieren sollen? Ich kannte ihn nicht einmal. Ich erinnerte mich nicht an ihn. Ich wusste nur, dass ich von einem anderen Mann schwanger war.”
“Ich wünschte, ich hätte dir nie gesagt, dass das Kind nicht von ihm ist. Hätte ich nur einen Moment nachgedacht, hätte ich dir dasselbe erzählt wie deiner Mutter. Dann hätte Charlie dich geheiratet – er hat dich geliebt. Er hätte das Spiel mitgespielt. Keiner hätte gewusst, dass er nicht Leslies Annes leiblicher Vater ist.”
“Du hättest es gewusst.”
“Was soll's, das alles spielt jetzt sowieso keine Rolle mehr.” G. W. streichelte die Wange seiner Tochter. “Ihr habt Anne in ihren letzten Lebensjahren so viel Freude bereitet, du und Leslie Anne. Kein Mann könnte sich eine bessere Tochter wünschen. Ich habe wirklich sehr großes Glück. Ich danke Gott jeden Tag dafür, dass ich dich habe. Das weißt du doch, oder?”
“Oh Daddy, du alter Softie. Ich bin es, die Glück hat. Was hätte ich ohne dich getan? Ohne dich hätte ich mich aufgegeben … nach der Vergewaltigung. Ohne deine Kraft und Unterstützung hätte ich nicht weitermachen können. Aber du hast mich gezwungen weiterzuleben, als ich am liebsten gestorben wäre.”
“Stell dein Licht nicht so unter den Scheffel, junge Dame. Du bist der stärkste, tapferste Mensch, der mir je begegnet ist. Ich bin stolz, dein Vater zu sein.”
Tessa war blind vor Tränen. “Und jetzt müssen wir beide stark und tapfer sein für Leslie Anne. Sie braucht uns mehr als je zuvor.”
“Wir werden gemeinsam für sie da sein”, sagte G. W. “Wir alle, ihre ganze Familie. Sharon ist übrigens auf dem Weg hierher. Myrle sagt, sie wird gegen Nachmittag da sein.”
“Gut. Ich habe sie schon vermisst, weil sie immer so lange in Key West ist. Tante Sharon und Leslie Anne mögen sich sehr. Sie wird Leslie Anne eine große Hilfe sein.”
G. W. legte Tessa einen Arm um die Schultern. “Siehst du, wir brauchen keine Fremden.”
Tessa versteifte sich. “Daddy, warum bist du bloß so dagegen, dass die Detektei Dundee herausfindet, wer Leslie Anne dieses Päckchen geschickt hat?”
“Das bin ich doch gar nicht. Ich … ich rede dummes Zeug, oder? Natürlich wollen wir wissen, wer ihr dieses Päckchen geschickt hat. Aber warum soll ich mich nicht um die Angelegenheit kümmern? Du konzentrierst dich auf Leslie Anne und ich rede selbst mit Mr. Moran und der Detektei Dundee.”
“Gut, wenn dir das lieber ist.” Ihr Bauchgefühl sagte Tessa, dass ihr Vater ihr etwas verheimlichte. Aber was konnte das sein? Sie hatte immer gedacht, sie hätten keine Geheimnisse voreinander.
G. W. beschloss, mit Dante Moran in der Bibliothek unter vier Augen zu sprechen. Zuvor hatte er einige Telefonate geführt und Informationen über den Dundee-Agenten eingeholt. Natürlich gingen diese Informationen nicht in die Tiefe, aber sie reichten aus, um sich eine Meinung über ihn bilden zu können. Moran würde sich nicht von ihm verjagen lassen, er galt als unbestechlich und furchtlos. Das gefiel G. W., und unter anderen Umständen hätte er sicher versucht, den Mann für sein Unternehmen abzuwerben. Bei Westbrook, Inc. konnte man immer begabte Menschen der Tat wie Moran gebrauchen. Doch in der momentanen Situation hätte G. W. einen Agenten bevorzugt, der bestechlich war.
Als Leslie Anne weggerannt war, hatte er sofort die beste Detektei beauftragt, um sie suchen zu lassen. Dundee war die beste. Die Agenten dort waren die Crème de la Crème der Privatermittler, hervorragend ausgebildete Spezialisten. Und genau dieser Umstand machte G. W. jetzt Probleme. Falls Moran – oder jeder andere Dundee-Agent – anfing, in der Vergangenheit herumzustochern und dabei ein bisschen zu tief stocherte, würde er sich sicher nicht mit einem Batzen Geld kaufen lassen. Was sollte er tun, wenn die volle Wahrheit ans Licht käme?
Das kann gar nicht passieren, versicherte G. W. sich selbst. Nur drei andere Menschen kannten die wahren Einzelheiten: der ehemalige Sheriff von Richland Parish, der Gerichtsmediziner und ein Hilfssheriff. Der Gerichtsmediziner war vor zehn Jahren im Alter von siebzig Jahren verstorben. Sheriff Wadkins litt mittlerweile
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