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Das Gesicht der Anderen

Das Gesicht der Anderen

Titel: Das Gesicht der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverly Barton
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bezweifle, dass wir den Namen jemals aus ihr herausbekommen werden. Leslie Anne kann äußerst stur sein.”
    Tessa wunderte sich immer wieder, mit welcher Leichtigkeit ihr Vater lügen konnte. Immerhin besaß er so viel Anstand, dass er angesichts dieser Geschichte eine gewisse Verlegenheit empfand. Aber was blieb ihnen auch sonst übrig? Sie mussten eine glaubwürdige Begründung für Leslie Annes Verschwinden finden. Sie konnten ja nicht plötzlich allen sagen, dass der Westbrook-Clan – G. W., Sharon und Tessa – seit Jahren ein dunkles Geheimnis mit sich herumtrug.
    Olivia lachte; wie immer klang es schrill in Tessas Ohren. Aber an dieser Frau störte Tessa einfach alles.
    “G. W., von wem hat das Kind denn wohl seine Sturheit geerbt?”, fragte Olivia schmeichlerisch.
    Tessa wusste nicht, wen sie schlimmer finden sollte – Olivia oder ihre Cousine Celia. Beide Frauen waren ganz groß darin, Männern um den Bart zu gehen und sich bei ihnen einzuschmeicheln. Aber so war das nun mal bei verzweifelten Frauen. Eine Frau, die sich der Gefühle eines Mannes nicht sicher war, strengte sich oft ein bisschen zu sehr an, um Bestätigung zu bekommen.
    G. W. kicherte, wenn auch etwas hölzern, und Tessa bezweifelte, dass außer ihr und Tante Sharon niemand bemerkte, wie aufgesetzt dieses Lachen war. “Ich übernehme die volle Verantwortung für Leslie Annes schlechte Eigenschaften, inklusive ihrer Sturheit. Und ich bin verdammt stolz, ihr Großvater zu sein.”
    Sharon und Tessa tauschten einen wissenden Blick aus. Ihnen war klar, was G. W. damit meinte. Er verkündete hiermit allen laut und deutlich, dass seine Enkelin eine echte Westbrook war. Ganz egal, wer ihr leiblicher Vater war. Natürlich verstand der Rest der Anwesenden das nicht.
    Plötzlich fragte sich Tessa, ob denn wirklich alle die Geschichte von dem Autounfall glaubten. Um Himmels willen! Natürlich glaubten sie es. Sicher hatte keiner von den Menschen, die hier bei ihnen waren, Leslie Anne dieses Päckchen geschickt. Unmöglich. Es wusste keiner davon. Und selbst wenn, wer von ihnen …
    Olivia! Dieser verdammten Hexe war alles zuzutrauen. Nur warum? Welches Motiv hätte sie, Leslie Anne derart zu verletzen?
    Tessa könnte es verstehen, wenn Olivia oder Tad versucht hätten, sie zu erpressen, damit sie das Geheimnis nicht in der Familie ausplauderten. Aber was hätten sie zu gewinnen, wenn sie Leslie Anne die Geschichte von Eddie Jay Nealys Morden zukommen ließen?
    Denk nach!, forderte sie sich auf. Ein Mensch tut so etwas Grausames nicht ohne ein echtes Motiv. Und von den hier Anwesenden hatte niemand ein Motiv.
    Olivia und Tad waren geldgeile Speichellecker, aber sonst? Und alle anderen gehörten zur Familie. Tante Sharon hatte die Wahrheit von Anfang an gewusst und hätte sie jederzeit verraten können. Aber sie liebte Leslie Anne und würde ihr niemals wehtun. Tante Myrle war zwar nervig und ein bisschen doof, aber sie besaß ein Herz aus Gold. Wie nannte sie Leslie Anne immer? “Die süße Namensvetterin meiner Schwester”. Celia mochte Tessa auch nicht besonders, vor allem, weil sie aus ihrer Eifersucht ihr gegenüber nie einen Hehl gemacht hatte. Sie war seit Urzeiten hinter Charlie her, so wie er seit Urzeiten hinter Tessa her gewesen war. Aber wäre Celia fähig, Leslie Anne deswegen absichtlich so zu verletzen? Weil sie ihre Mutter hasste?
    Ja, sie wäre dazu fähig.
    Aber woher sollte sie die Wahrheit kennen?
    Zu guter Letzt war da noch Charles Sentell. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er so etwas tun könnte. Er hatte Tessa heiraten und Leslie Anne adoptieren wollen. Er hatte immer etwas übrig gehabt für ihre Kleine, das Kind, wie er oft genug betont hatte, das seins sein könnte, wären die Umstände anders verlaufen.
    Und selbst wenn Charlie zu einer solchen Grausamkeit fähig wäre – wie hätte er von Eddie Jay Nealy erfahren können?
    “Du bist so furchtbar still heute Abend.” Celia nahm Tessa in Beschlag. “Aber wahrscheinlich war es auch schwer für dich, feststellen zu müssen, dass du doch nicht die perfekte Mutter bist.”
    “Wie unhöflich von dir, Celia” tadelte Myrle ihre Tochter.
    “War es das?” Celia spielte die Unschuldige. “Dann entschuldige ich mich selbstverständlich für meine dumme kleine Bemerkung. So war es nicht gemeint.” Celia schenkte Tessa ein breites Lächeln. Es war so falsch wie ein Dreidollarschein.
    “Ich schlage vor, ihr besorgt dem Kind professionelle Hilfe”, tat Tad seine

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