Das Gesicht der Anderen
war ein Muttermal. Mit einem Finger fuhr er seine Konturen nach.
Tessa kicherte. “Das kitzelt!”
“Du hast da ein Muttermal”, sagte er und tippte mit dem Finger auf die Stelle.
“Ja, ich weiß.”
Amy Smith hatte ein identisches Muttermal an derselben Stelle gehabt.
“Dante, was ist denn? Stimmt was nicht?”
In diesem Moment klingelte das Zimmertelefon.
“Wer zum Teufel kann das sein?” Dante küsste Tessas Muttermal. Sein Herz raste. “Ich glaube, ich sollte lieber rangehen. Vielleicht ist es wichtig. Ich weiß nur nicht, warum der Anrufer nicht auf dem Handy anruft.”
“Ich habe unsere Handys ausgeschaltet, als wir wieder hier waren”, sagte Tessa. “Ich fand, wir brauchten auch mal eine störungsfreie Zeit für uns.”
“Wie recht du hattest.” Dante rollte über das Bett und nahm den Hörer ab. “Hier Moran.”
“Dante, Dom hier. Was ist denn bei euch los? Lucie versucht schon seit Stunden, dich beziehungsweise Tessa zu erreichen. Außerdem hast du uns nicht hinterlassen, wo du abgestiegen bist. Ich musste euch erst ausfindig machen.”
“Was ist denn? Ist was passiert?”
“Ja, es ist was passiert. Ganz Fairport kennt inzwischen das kleine Geheimnis der Westbrooks.”
Dante setzte sich auf. “Wie und von wem?”
Tessa kroch zu ihm herüber. “Was ist los?”
“Es gab einen anonymen Anrufer”, berichtete Dom am anderen Ende der Leitung. “Wahrscheinlich ist es dieselbe Person, die Leslie Anne das Paket geschickt hat. Jedenfalls hat dieser mysteriöse Anrufer sämtliche Personen darüber informiert, dass Tessa vor siebzehn Jahren vergewaltigt und von ihrem Peiniger geschwängert wurde. Der Anrufer hat kein Detail ausgelassen, inklusive den Namen des Täters.”
Dante knirschte mit den Zähnen, dann legte er einen Arm um Tessa. “Wir fliegen sofort zurück nach Fairport. Können wir einen Hubschrauber haben?”
“Darum habe ich mich schon gekümmert. Ein Helikopter wartet am Flughafen. Bitte beeilt euch. Lucie sagt, die Lage verschlechtert sich jede Minute.”
Dante legte auf und drehte sich zu Tessa um. “Wir müssen sofort zurück nach Fairport.”
Schnell berichtete er ihr, was er von Dom gehört hatte. Tessa sprang aus dem Bett und fing an, ihre Kleidung aufzusammeln. Sie war völlig fahrig. Dante hielt sie fest und nahm sie in den Arm. “Beruhig dich, Liebling. Alles kommt in Ordnung. Ich bin bei dir, egal was passiert.”
“Was mit mir passiert, ist egal. Jetzt geht es um Leslie Anne!”
Nein, es ging nicht um Leslie Anne – es ging um Tessa. Für Dante war sie auf einmal der wichtigste Mensch in seinem Leben. Er hatte plötzlich eine ganz bestimmte Vermutung bezüglich Tessa, aber dieser Sache konnte er im Moment nicht nachgehen. Erst mussten sie die aktuelle Krise in den Griff bekommen. Aber wenn Tessa wieder bei ihrer Tochter war, würde er herausfinden, wie es möglich sein konnte, dass Tessa Westbrook und Amy Smith an der gleichen Körperstelle ein identisches Muttermal hatten.
19. KAPITEL
“S ie hat sich eingeschlossen und die Tür verbarrikadiert”, informierte Lucie Dante und Tessa, als sie durch den Flur zu Leslie Annes Zimmer liefen. “Es ist mir zwar gelungen, sie in ein Gespräch zu verwickeln, aber sie ist natürlich wütend und auch verwirrt. Und der Zirkus da unten trägt nicht gerade dazu bei, dass es besser wird.” An Tessa gewandt, fuhr sie fort: “Soweit ich das mitbekommen habe, trifft Ihre Tante Sharon schon Vorkehrungen für die Unterbringung der Gäste.”
Auf dem Flug von Rayville zurück nach Fairport hatte Dante Tessas Hand gehalten und ihr versprochen, sie und Leslie Anne könnten sich auf ihn verlassen. Sie hatte ihn nicht losgelassen, sondern sich physisch wie mental an ihn geklammert.
“Ich habe eben mit Tante Sharon gesprochen, und sie hat gesagt, sie habe Dr. Lester geholt. Leslie Anne und Olivia konnten Daddy schließlich überreden, das von Dr. Lester verordnete Beruhigungsmittel zu schlucken”, sagte Tessa. “Ich mache mir langsam um den Gesundheitszustand meines Vaters genauso viele Sorgen wie um Leslie Anne.”
“Hat Mr. Westbrook sich hingelegt?”, fragte Lucie.
“Ja, er wollte sich ausruhen”, antwortete Tessa. “Olivia ist bei ihm. Tante Sharon sagt, dass Olivia sehr hilfreich war.”
“Zu meiner Überraschung war sie das wirklich”, bestätigte auch Lucie. “Und Leslie Anne auch. Sie können stolz sein auf Ihre Tochter. Sie nahm keine Rücksicht auf sich selbst und auf das, was sie gerade
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