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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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substanzlosen Gestalt ein wenig Farbe verlieh.
    Er hatte eine Menge Zeit, über Grey nachzudenken und sich ein paar Fragen zurechtzulegen, bis der Lakai zurückkehrte, um ihn durch eine mit grünem Fries bespannte Tür in Lady Fabias schräg gegenüberliegendes Wohnzimmer zu führen. Es war mit diskretem dunkelrosa Samt und Rosenholzmöbeln ausstaffiert. Lady Fabia thronte auf einem Louis-Quinze-Sofa. Je näher Monk ihr kam, desto mehr verließen ihn seine Vorsätze. Sie war recht klein, wirkte hart und zugleich zerbrechlich wie Porzellan. Ihr perfekter Teint wurde nicht durch den kleinsten Makel getrübt, nicht ein einziges, seidenweiches Härchen befand sich fehl am Platze. Ihre Züge waren regelmäßig, die blauen Augen groß, lediglich das leicht vorspringende Kinn tat der Zartheit des Gesichts ein wenig Abbruch. Und sie war vielleicht eine Spur zu dünn; ihre Schlankheit hatte etwas Eckiges. Ihre Kleidung war ganz in Schwarz und Violett gehalten, wie es einer Trauernden anstand, auch wenn es so wirkte, als unterstreiche sie damit eher ihr würdevolles Auftreten denn irgendwelches Leid. Sie strahlte keinerlei Schwäche aus.
    »Guten Tag«, sagte sie energisch, während sie den Lakai mit einer Handbewegung entließ. Lady Fabia schien Monk kein allzu großes Interesse zu zollen und warf kaum mehr als einen flüchtigen Blick aufsein Gesicht. »Setzen Sie sich, wenn Sie möchten. Wie ich höre, sind Sie hier, um mich über Ihre Fortschritte hinsichtlich der Entdeckung und Festnahme des Mörders meines Sohnes zu unterrichten. Also, was haben Sie mir zu sagen?«
    Sie saß mit kerzengeradem Rücken vor ihm, als hätte sie einen Stock verschluckt. Vermutlich hatte sie jahrelang unter der Fuchtel von Gouvernanten gestanden, als Kind mit einem Buch auf dem Kopf für die rechte Haltung trainiert und war aufrecht im Damensattel durch den Park geritten. Monk blieb nicht viel anderes übrig als zu gehorchen, sich widerwillig auf einen der verschnörkelten Stühle zu setzen und sich seiner selbst nicht mehr sicher zu fühlen.
    »Nun?« fragte sie ungeduldig, als von ihm keine Reaktion kam. »Die Uhr, die uns ihr Konstabler gezeigt hat, war nicht die meines Sohnes.«
    Ihr Tonfall, dieses fast unbewußte Überzeugtsein von ihrer Überlegenheit, verletzte Monk. Früher mußte er so etwas gewöhnt gewesen sein – obwohl er sich nicht daran erinnern konnte –, aber heute traf es ihn wie ein Hagelschlag aus Schottersteinen, der zwar keine tiefe Wunde, aber durchaus eine schmerzhafte brennende Hautabschürfung nach sich zog.
    Lady Shelburne starrte ihn unwillig an.
    »Uns ist inzwischen der Zeitpunkt bekannt, wann sich jemand Zutritt zu dem Haus am Mecklenburg Square verschafft haben kann«, sagte er recht hölzern, da sein Stolz verletzt war. »Und wir sind im Besitz einer Beschreibung des einzigen Mannes, der dies getan hat.« Er blickte gelassen in die eisigen und nicht schlecht überraschten blauen Augen. »Er war an die Einsachtzig groß, kräftig gebaut – soweit das unter einem dicken Mantel beurteilbar ist –, dunkelhaarig und trug keinen Bart. Sein Besuch galt angeblich einem Mr. Yeats, der auch in dem Haus wohnt. Wir haben bisher noch nicht mit Mr. Yeats gesprochen –«
    »Warum nicht?«
    »Weil Sie verlangt haben, daß ich herkommen und Sie über unsere Fortschritte informieren soll, Ma’am.«
    Sie hob in einer Mischung aus Skepsis und Geringschätzung die Brauen. Monks Sarkasmus ging vollkommen an ihr vorbei.
    »Gewiß sind Sie nicht der einzige, der mit den Ermittlungen in einem derart wichtigen Fall betraut ist? Mein Sohn war ein tapferer Soldat, ein ausgezeichneter Soldat, der für sein Vaterland das Leben riskiert hat. Ist das alles, was Sie zu bieten haben, um es ihm zu lohnen?«
    »London ist ein Sündenbabel, Ma’am; jeder ermordete Mensch, ob Mann oder Frau, ist für irgendwen ein schlimmer Verlust.«
    »Sie können den Sohn eines Marquis wohl kaum auf eine Stufe mit einem hergelaufenen Dieb oder dem ganzen mittellosen Gesindel stellen!« blaffte Lady Fabia zurück.
    »Niemand hat mehr als ein Leben zu verlieren, Ma’am. Und vor dem Gesetz sind wir alle gleich – oder sollten es zumindest sein.«
    »Unsinn! Manche Männer sind geborene Führernaturen und leisten einen wichtigen Beitrag zur Gemeinschaft; die meisten tun es nicht. Mein Sohn gehört zu denen, die es taten.«
    »Manche haben nichts, um –«
    »Dann sind sie selbst schuld!« fiel sie ihm ins Wort. »Ich habe allerdings nicht den geringsten

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