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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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fassungslos. »Sie können doch nicht im Ernst annehmen, er hätte Geschäftskonkurrenten von der Sorte gehabt, die ihn mit einem Spazierstock totprügeln würden! Das ist wirklich absurd!«
    »Jemand hat es getan.«
    Shelburne verzog das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. »Das habe ich nicht vergessen! Ob er Geschäfte betrieb, weiß ich beim besten Willen nicht. Er erhielt eine kleine Beihilfe von uns.«
    »Wie klein, Sir?«
    »Ich glaube kaum, daß Sie das zu kümmern braucht.« Shelburnes Gereiztheit kehrte zurück; ein Polizist hatte es gewagt, sich in seine persönlichen Angelegenheiten zu drängen. Er begann erneut, das Kamingitter abwesend mit dem Stiefel zu traktieren.
    »Natürlich kümmert es mich, Sir.« Monk hatte sich inzwischen völlig in der Hand. Er bestimmte die Richtung des Gesprächs, und er hatte auch ein bestimmtes Ziel im Auge. »Ihr Bruder wurde umgebracht, wahrscheinlich von einer Person, die ihn kannte. Geld kann durchaus eine Rolle gespielt haben; es ist eins der häufigsten Mordmotive.«
    Lovel hüllte sich in Schweigen. Monk wartete.
    »Ja, vermutlich«, ließ Lord Shelburne sich schließlich vernehmen. »Vierhundert Pfund jährlich – zuzüglich der Invalidenrente selbstverständlich.«
    Für Monks Empfinden ergab das ein ordentliches Sümmchen; man konnte mit knapp tausend Pfund jährlich ein großes Haus inklusive Frau, Kindern und sogar zwei Dienstmädchen unterhalten. Wahrscheinlich hatte Joscelin Grey jedoch einen ziemlich extravaganten Lebensstil gehabt: Kleidung, Klubs, Pferde, Glücksspiel, Frauen vielleicht oder zumindest Geschenke für sie. Sein soziales Umfeld hatten sie bislang nicht erforscht, da sie den Täter für einen Gelegenheitsdieb und Grey für das Opfer eines unglücklichen Umstands gehalten hatten.
    »Danke«, sagte er zu Lord Shelburne. »Von anderen Einnahmequellen ist Ihnen nichts bekannt?«
    »Mein Bruder hat seine Finanzlage nicht mit mir besprochen.«
    »Ihre Frau hatte ihn sehr gern, sagen Sie? Wäre es möglich, daß ich sie kurz sprechen kann? Er könnte ihr gegenüber bei seinem letzten Besuch etwas erwähnt haben, das uns eventuell weiterhilft.«
    »Wohl kaum, sonst wüßte ich es – und hätte Sie, oder wer immer dafür zuständig ist, selbstverständlich darüber in Kenntnis gesetzt.«
    »Auch Dinge, die Lady Shelburne vollkommen belanglos erscheinen, können für mich von Wichtigkeit sein«, erklärte Monk. »Einen Versuch ist’s allemal wert.«
    Lovel marschierte in die Mitte des Raumes, als hätte er die Absicht, Monk in Richtung Tür zu drängen. »Das denke ich nicht. Außerdem hat sie bereits einen ernsthaften Schock erlitten; ich sehe keinen Sinn darin, sie auch noch mit schmutzigen Details zu quälen.«
    »Ich wollte mich eigentlich über Major Greys Charakter mit ihr unterhalten, Sir«, versetzte Monk mit leiser Ironie in der Stimme, »über seine Freunde und seine Interessen, nichts weiter. Oder war sie ihm derart zugetan, daß sie selbst das zu sehr quälen würde?«
    »Ihre Frechheiten treffen mich nicht im geringsten!« fuhr Lovel ihn an. »Natürlich war sie das nicht. Ich möchte es nur nicht noch schlimmer machen – es ist nämlich nicht sehr angenehm, wenn ein Familienmitglied erschlagen wird!«
    Monk sah ihm direkt in die Augen. Sie standen nicht weiter als einen Meter auseinander.
    »Allerdings, aber das ist sicherlich ein Grund mehr, den Mörder zu finden.«
    »Wenn Sie darauf bestehen…« Mißmutig forderte er Monk mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen, und führte ihn aus dem femininen Wohnzimmer durch einen kurzen Gang in die Haupthalle. Monk versuchte in den wenigen Sekunden, die Shelburne vor ihm her stolzierte, soviel wie möglich von der Umgebung aufzunehmen. Die Holzvertäfelung an den Wänden reichte bis auf Schulterhöhe, den Parkettboden zierten zahlreiche handgewebte, chinesische Teppiche in wunderschönen Pastellfarben. Beherrscht wurde das Ganze von einer prachtvollen Treppe, die sich auf halber Höhe teilte und nach beiden Seiten in einer Galerie mit stattlichem Geländer fortgesetzt wurde. Überall hingen Gemälde in überladenen Goldrahmen; um sie genauer zu betrachten, reichte die Zeit allerdings nicht aus.
    Shelburne öffnete die Tür zum Salon, wartete ungeduldig, bis Monk ihm in den Raum gefolgt war, und zog sie dann hinter sich zu. Das Zimmer war länglich und ging nach Süden hinaus, wo eine Terrassentür den Blick auf einen mit blühenden Blumenrabatten umgebenen Rasen freigab. Rosamond

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