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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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Schmähreden auf deinen Vater gehalten: Er habe den Angriff Völundrs nicht nur hingenommen, sondern ihn sogar dazu bewogen, um solcherart den Sohn zu bestrafen. Tagtäglich kann Ludwig nun verbrannte Ruinen betrachten, leidet wahrscheinlich sogar Hunger.«
    Gleichwohl unendlich weit von ihm entfernt, konnte Judith sie fast spüren – Ludwigs Bitterkeit, seine Verzweiflung, dass es ihm nicht gelang, sein Leben zu wenden. Sie fühlte kein Mitleid.
    »Was hast du mit Balduin gemacht?«, fragte sie tonlos. »Wo ist er?«
    Zum ersten Mal blickte Lothar sie an. »Solange dein Vater mit Ludwig beschäftigt war, rückte deine Ehe für ihn in den Hintergrund. Doch nun, da er sich nicht länger mit seinen aufrührerisehenSöhnen herumschlagen muss, fühlt er sich gestärkt. Und darum … ach Judith … verstehe doch … «
    »Wie soll ich das verstehen?«, fuhr sie unwirsch auf. »Du hast uns verraten, Lothar! Auf eine schändliche, schmähliche Weise! Wie konntest du das tun?«
    Lothar zuckte wieder die Schultern. »Dein Vater hat mir gedroht, die Grenzen zu überschreiten, wenn ich euch nicht ausliefere. Und mein Onkel Ludovicus Germanicus, der sonst auf meiner Seite stand, plant diesmal, Karl gewähren zu lassen. Meine Position ist nicht eben stark, solange meine Eheangelegenheit nicht geklärt ist. Wenn nur Waltrada mein rechtmäßiges Weib … wenn Hugo mein rechtmäßiger Sohn wäre. Alle Welt liegt mir deswegen in den Ohren, und ich …«
    Er brach ab.
    »Warum hast du uns nicht die Möglichkeit gegeben, rechtzeitig zu fliehen?«
    Bis jetzt hatte Judith die notwendige Beherrschung aufgebracht, um ruhig mit ihm zu reden. Nun fühlte sie, wie ihr Atem dünner wurde, nicht ausreichend die Brust zu füllen schien. Sie ächzte – und schämte sich ob dieses Zeichens von Schwäche. Seit ihrer Flucht hatten sie und Balduin nicht wieder laut ausgesprochen, was schlimmstenfalls geschehen könnte, fielen sie König Karl in die Hände. Damals hatte Judith gemeint, sie könnte Balduin schützen, wenn sie ihn heiratete. Doch insgeheim hatte sie immer geahnt, dass das nicht ausreichen würde, um ihn vor der Anklage des Hochverrats zu bewahren.
    Lothar seufzte.
    »Ich habe versucht, wenigstens dich zu retten, Judith«, erklärte er. »Eine der Abteilungen deines Vaters ist gekommen, sie wird Balduin über die Grenze schaffen. Aber du … du kannst gerne hierbleiben. Was dich anbelangt, werde ich mich deinem Vater nicht fügen.«
    »Soll ich dir dafür auch noch dankbar sein?«
    »Balduin hat dich aus Senlis befreit. Das war mehr, als du vom Leben erwarten konntest.«
    »Und gerade deswegen kann ich ihn doch nicht seinem Schicksal überlassen!«
    Die ganze Zeit über war Lothar im Raum hin- und hergegangen, hatte unruhig seine Hände gerungen. Jetzt blieb er zum ersten Mal still stehen.
    »Ich fürchte, es bleibt dir nichts anderes übrig«, sagte er.
     
    Balduin hatte sich nicht gewehrt – in den ersten Stunden, weil ihm der Schädel zu sehr brummte, danach, weil er sich mit eiserner Selbstbeherrschung einen überstürzten und darum zwecklosen Fluchtversuch verbot. Zumindest so lange, bis er mehr über seine Lage herausgefunden hatte.
    Freilich gab es nicht viel herauszufinden. Seine Lage war misslich, wahrscheinlich sogar hoffnungslos. Man hatte ihn, als er Lothars Leibdiener gefolgt war, zusammengeschlagen, hernach gebunden, wie einen Sack Getreide über ein Pferd geworfen und führte ihn nun – wie er unschwer erkennen konnte – westwärts. Wenn er sich nicht rechtzeitig befreien konnte, würde er in einigen Tagen König Karl gegenüberstehen – gesetzt, der Herrscher wäre überhaupt bereit, sich persönlich mit ihm abzugeben. Wahrscheinlich ließ er ihn sofort in den Kerker werfen, wo er langsam und von der Welt vergessen verfaulen durfte. Wobei das vermutlich schon das größere Glück verhieß. Nicht minder wahrscheinlich war, dass man ihn hinrichtete.
    Die Furcht schmeckte bitter in seinem Mund, wenngleich er versuchte, sie zu schlucken. Wenn er jetzt der Panik nachgab, wenn er obendrein noch damit zu hadern begann, wie er – der heldenhafte Krieger – in diese Lage geraten war, würde er keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen können. Wobei Vernunft ihm nicht unbedingt weiterhalf.
    In den ersten Stunden des unruhigen Ritts hatte er einzig darum gekämpft, genügend Atem zu schöpfen. Als die Männer schließlich rasteten, um das Nachtlager aufzuschlagen, hatte er wiederum nichts anderes im Sinn gehabt als einen

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