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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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verspreche dir, hier und heute: Balduin wird nicht alleine sein. Ich werde an ihm kleben wie sein Schatten – vorausgesetzt, das muss nicht länger währen, als bis wir nach Rom kommen. Von dort gehe ich nimmer zurück, das schwöre ich dir auch!«
    Sie dankte ihm nicht, sondern nickte nur ruhig. »Ist es wirklich nur die Sonne, die dich in den Süden zieht?«, fragte sie nach einer Weile.
    Er zuckte nur mit den Schultern. »In all dem Schnee mag man nicht glauben, dass sie irgendwo noch scheint. Sieh also zu, dass du gesund wirst, damit du selbst erlebst, was ich meine.«
     
    Balduin scherte sich nicht darum, dass jeder ihn beobachten konnte, wie er lauschte. Er musste sich nicht sonderlich anstrengen, denn die Tür war so dünn wie die Wände und Judiths Stimme zwar heiser, aber nicht gänzlich erloschen. Er presste das Ohr an die Tür, hielt schützend die Hand darum, damit ihm kein Laut entging – und wurde mit jedem Wort verzagter, hilfloser. Er war zerrissen einerseits von dem Wunsch, hineinzustürmen und Judith davon abzuhalten, dergleichen Pläne zu machen, und andererseits von dem Wissen, dass es besser war, jede Aufregung in ihrer Gegenwart zu vermeiden.
    Als Wunibald und Judith endlich verstummt waren, löste er sich von der Tür und gewahrte die Blicke, die auf ihn gerichtet waren: Der des Klausners war verschmitzt, weil immer noch von der Freude erhellt, zu unerwartet viel Geld gekommen zu sein. Der von Joveta war ehrlich besorgt, aber zugleich überfordert, als würde sie augenblicklich in Tränen ausbrechen. Der von Madalgis war ausdruckslos. Alle wichen sie ihm aus, sobald er sie anstarrte, nur Johanna, in jenem Winkelchen hockend, das am weitesten von der Feuerstelle entfernt war, trotzte seinem Blick. Er wusste ihre Miene nicht recht zu deuten, las zwar den Anflug von Hohn, von Triumph darin, doch ebenso Unbehagen.
    Er musste nicht lange mit sich ringen, um zu ihr zu treten. Der Trotz, mit dem er in den letzten Tagen jeden Wortwechsel gemieden hatte, deuchte ihn nun nichtig. »Du … du musst ihr helfen«, murmelte er.
    In Johannas Miene breitete sich ebenso Rührung wie Verachtung aus. Eine Weile blieb sie sprachlos, schien sich nicht entscheiden zu können, was überwog. Am Ende fiel die Wahl auf Nüchternheit.
    »Sieh an. Du suchst freiwillig meine Nähe«, stellte sie ruhigfest. »Ich dachte, dir fiele bereits das Atmen schwer, bist du auch nur einen Augenblick nicht an ihrer Seite.«
    Sie blickte auf ihre Hände, die grau und faltig waren, von Flecken übersät, die er früher noch nicht bemerkt hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, wie sehr sie in den letzten Monaten gealtert war, auf eine stille Weise, ohne Aufbäumen, ohne Kampf, und trotz allem gewiss, dass sich auch ein alter, nicht mehr schöner Körper dem eigenen Willen zu beugen hat, ist jener nur fest genug.
    »Du musst ihr helfen«, wiederholte er. »Du hast doch sicher ein paar deiner heilenden Kräuter mitgenommen.« Seine Stimme zitterte; er konnte ihr nicht verdenken, dass ihre Mundwinkel zuckten. Das letzte Mal, als er mit ähnlich weinerlichem Tonfall zu ihr gesprochen hatte, war er ein Kind gewesen. Und von ihr fortgestoßen worden. Zumindest so lange, bis er ihr versprach, ein tapferer Krieger zu werden und die Normannen zu töten. Dann hatte sie ihn umarmt und getröstet, liebevoll, zärtlich. Keine andere hatte es damals gegeben, die jenes Maß an Schutz versprechen konnte – und es sich so teuer erkaufen ließ. Er wunderte sich, dass er selbst jetzt, da er ihre Ablehnung, ihre fleischlose, knöchrige Härte, förmlich fühlte, aus ihrem Anblick zugleich Zuversicht zog. Kurz traute er ihr, die sie eine so strikte Trennung zwischen Freund und Feind zog, auch die Macht zu, das Walten des Lebens außer Kraft zu setzen – wenn sie es denn nur wollte.
    Leider wollte sie nicht.
    »Warum sollte ich mich mit dem Allmächtigen anlegen, wenn er womöglich längst beschlossen hat, sie zu sich zu holen?«, fragte sie. »Vielleicht ist diese Krankheit eine gerechte Strafe für das, was sie dir angetan hat.«
    Er wich kaum merklich zurück, den Mund schon geöffnet für eine vorwurfsvolle Gegenrede. Dann schloss er ihn und besann sich auf ein anderes Mittel, um sie zu erweichen. Er hockte sich nieder, sodass er zu ihr aufschauen musste, suchte ihren Blick – und dann lächelte er, vorsichtig, scheu, um Zustimmung heischend. »Aber das wäre nicht der Grund, warum du sie sterben ließest«, stellte er ruhig fest und hörte nicht zu

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