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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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freilich schien der knorrige Körper trotz des wochenlangen Ritts frei von Schmerzen der Gelenke. Das graue Haar glänzte silbrig weiß, und das fahle Gesicht nahm eine kräftige Farbe an, die es zwar bäuerlicher, zugleich aber lebendiger wirken ließ.
    Nie spielte sie den Triumph offen aus, denn sie ahnte, dass Balduin sich gegen ein boshaftes Wort eher zur Wehr setzen würde als gegen ihr Schweigen. Mit jenem wusste sie ihn zu beschämen, vor allem dann, wenn sie es mit Taten der Fürsorglichkeit verband: ihm stets das Essen reichte, das sie aus dem kargen Proviant bereiteten – ein mit öl angerichteter Hirsebrei, ein Eintopf aus getrockneten Erbsen und Bohnen, Brot aus Sorgho, der Mohrenhirse, oder Gerste, Hafer und Dinkel – und jenes obendrein mit ihrem geheimen Schatz an Kräutern würzte, sodass es appetitanregender roch als das, womit die anderen notgedrungen ihren Hunger stillten. Balduin nahm es entgegen, am Anfang lauernd, ob sie nicht gegen Judith lästern würde, doch mit der Zeit im alten Vertrauen, dass sie es gut mit ihm meinte.
    Falls Judith gewahrte, dass es zwischen der einstigen Ammeund ihrem Zögling zur Annäherung kam, so zeigte sie es nicht. Aus einem anderen Anlass richtete sie ihr Wort einmal an Johanna.
    Es war am späten Abend, längst war ihr Zeltlager errichtet worden, in einer kargen, steinigen Welt, die nichts von dem saftigen Grün der Niederungen hatte. Die Sterne oben funkelten nicht, sondern schienen nur weiße Löcher im Himmelszelt zu sein. Mehr Licht ging von den flackernden Feuerstellen aus, insgesamt drei an der Zahl. Auf den heißen Steinen, die die Flammen begrenzten, hatten sie das Dörrfleisch erwärmt.
    Judith hatte es in ihrem Zelt nicht ausgehalten, schwül und stickig war es dort. Doch kaum war sie ins Freie getreten, schlug ihr Kälte entgegen, die nach Sonnenuntergang genauso beißend war wie im Norden. Alsbald fröstelnd trat sie auf das Feuer zu und gewahrte lange nicht den Schatten der Frau, die ganz am Rande des Zeltlagers stand und ebenfalls frieren musste – der bebende Schatten bekundete es –, aber die Flammen scheute.
    »Seit wann, Johanna«, setzte Judith an, nachdem sie sie erkannt hatte, »seit wann verhält es sich so, dass du das Feuer meidest, ja, fürchtest?«
    Die Frage klang so selbstverständlich, dass Johanna vergaß, Judith keine Beachtung zu schenken, sondern stattdessen hochblickte. Nicht Feindseligkeit, nur Verwirrung breitete sich in ihrer Miene aus. Das einzige Mal, da sie länger mit Judith gesprochen hatte, war in den Alpen gewesen, als die Königin mit dem Tod gekämpft und sie ihr eine Medizin bereitet hatte: ein Gebräu aus Eibisch, Alant und Mistel gegen den Hustenreiz und einen Trank aus Tausendgüldenkraut gegen das Fieber.
    »Was geht’s dich an?«, gab Johanna zurück.
    »Es ist seit jenem Tag, an dem die Normannen dein Dorf überfallen und deine Familie ausgerottet haben, nicht wahr?«, sprach Judith ruhig weiter.
    Johanna duckte sich unwillkürlich. »Hast viel Zeit, andere Menschen zu bespitzeln, nun, da Balduin dir gram ist«, gab sie giftig zurück.
    »Kein Mann, ist er mir nun gram oder nicht, könnt mich je so zerstreuen, dass ich blind für die Menschen werde … und für das, was sie verbergen.«
    Johanna erhob sich, trat dicht an Judith heran. So nah war sie noch nie vor ihr gestanden, und es stellte sich heraus, dass sie fast gleich groß waren. »Glaub mir«, zischte sie, »ich habe nichts zu verbergen, was mich reuen könnte. Nicht so wie du, die du gedankenlos den Ruhm und das Glück eines Kriegers zerstört hast. Und du hast die arme Joveta auf dem Gewissen!«
    Obwohl sie getroffen war, zeigte es Judith nicht. Doch ehe sie sich eine Antwort zurechtlegen konnte, kam ihr eine andere zuvor.
    »Lass sie in Ruhe!«, ertönte Madalgis’ Stimme aus dem Schatten eines der Zelte.
    Johanna fuhr herum. »Du hast mir gar nichts zu sagen!«, wehrte sie die Worte rüde ab.
    Madalgis trat ins Licht, und die Flammen spiegelten sich wie so oft in ihren gelben Augen. »Hab ich nicht?«, fragte sie schlicht. Indes sie Johanna ungerührt ins Gesicht starrte und jene eine Weile damit kämpfte, ob sie sich ihr widersetzen oder nachgeben sollte, ging Judiths Blick zwischen den beiden hin und her. Johanna schien ihn zu spüren, denn ihre Schultern verkrampften sich, als würde sie noch mehr frösteln. Sie stieß einen unwilligen Laut aus, ehe sie den Blick als Erste senkte und in die Finsternis davonstob.
    Kaum war sie verschwunden,

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