Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
Vom Netzwerk:
würden. Er war immerhin noch ein Melura, und er hatte sich dem Erwachsensein noch nie so fern gefühlt wie jetzt.
    Im frühen Tageslicht zogen sie weiter nach Norden. Nebel stieg vom Fluss auf und kroch zwischen die Bäume. Sie froren in der klammen Feuchtigkeit und kamen nur langsam voran. Wohin Tahn auch sah, fiel sein Blick auf Moos, das an Felsen und Rinde wuchs und hier und da wie ein dicker Vorhang von den Zweigen hing und das Unterholz erstickte. Allmählich brannte die Sonne den Nebel aus der Luft. Tahn und Sutter ritten in geselligem, aber aufmerksamem Schweigen, denn die Erinnerung an den gestrigen Angriff machte sie vorsichtiger.
    Zwei Tage lang folgten sie dem Fluss nach Norden und stießen nur auf ein paar verlassene Häuser an flachen Ausbuchtungen des Flussbetts. Ansonsten sahen sie keine Spur von menschlichem Leben, bis am Nachmittag des dritten Tages etwas Seltsames vom Himmel fiel und auf Tahns Wange landete. Er wischte es weg, und als er seine Finger betrachtete, waren sie mit Asche verschmiert. Zunächst dachten sie sich nichts dabei und ritten weiter. Doch bald schneite es mehr schwarze und graue Flocken.
    Sutter streckte die Hand aus, um ein solches Flöckchen aufzufangen. Dann hielt er es Tahn fragend hin. Für Tahn konnte das nur eines bedeuten: Waldbrand.
    »Vielleicht sind wir schon in der Nähe von Decalam«, schlug Sutter vor.
    »Das glaube ich nicht«, entgegnete Tahn.
    Sutter nickte. »Dann halten wir uns lieber an den Fluss. Mein Hals tut noch zu weh, als dass ich heute mit irgendwem kämpfen möchte.« Er lächelte schwach.
    Tahn hörte nicht auf ihn und lenkte Jole in die Richtung, aus der Asche und Brandgeruch kamen.
    »Ja, natürlich«, sagte Sutter achselzuckend und folgte ihm.
    Bald hing der Brandgeruch dicht in der Luft, doch da brannte mehr als Holz, auch mehr als Bäume, die noch in grünem Leben standen. Im Wald war die bedrückende Atmosphäre von endgültiger Zerstörung zu spüren, wie vor ein paar Jahren, als die letzten singenden Bäume des Hains im Helligtal gefällt worden waren und nacktes, stummes Land hinterlassen hatten. Tahn erinnerte sich an die Auktion bei den Richtsteinen, bei der ein hoher Preis für das Holz erzielt worden war – Geld für einen Schuldner, dessen Namen niemand im Helligtal zu kennen schien. Tahn hatte den Hain später als Jäger aufgesucht und sich auf den staubigen Boden gesetzt, wo kahle, nackte Wurzeln kein Blätterdach mehr nährten. Der Geist des letzten gefällten Sängerbaums hatte wie ein Spuk über der Stelle gehangen. In diesem fernen Wald hier vermischte sich das gleiche erstickende Gefühl mit dem dichten Gestank von Ruß und Asche.
    Tahn schätzte die Windrichtung ab und wandte sein Pferd vom Fluss aus nach Westen und einen bewaldeten Hügel hinauf. Je höher sie kamen, desto dicker wurde die Ascheschicht auf dem Boden. Rußige Flocken wehten ihnen wie ein seltsamer, lautloser Sturm entgegen. Tahn prüfte die Befiederung seines Pfeils, legte ihn an die Sehne und drängte sein Pferd aufwärts durch ein Fichtendickicht.
    Unmittelbar hinter dem Kamm ragten geschwärzte kahle Bäume wie knochige Finger in den Himmel. Manche schwelten noch, und gemächliche Rauchfähnchen trieben empor. Der Boden wirkte wie mit verbrannten Nadeln in komplizierten Mustern bestickt. Doch die Anzahl der verbrannten Bäume erklärte keineswegs die Mengen von Asche, die sich vor ihnen häuften, und es rieselte immer noch mehr auf sie herab.
    Tahn stieg ab und band Jole an einen nahen Baum. Sutter glitt aus dem Sattel, zog sein Schwert und packte es mit beiden Händen. Mit halb gespanntem Bogen rückte Tahn langsam vor. Während er um die verkohlten Baumreste schlich, begann seine Haut am ganzen Körper zu kribbeln. Die Luft fühlte sich an wie geladen. Kaum dreißig Schritt jenseits des ersten verbrannten Baumes erreichten sie eine kleine, halbkreisförmige Lichtung. Sutter riss die Augen auf, und Tahn flüsterte: »Nein.«
    Vor ihnen hing eine niedrige granitene Felswand in anmutigen Wellen wie ein Banner, das sich halb gelöst hat. Aus Taschen in dem geschmolzenen Gestein stieg Dampf auf, der sich vor der geschwärzten Klippe kräuselte.
    »Staub und Erde«, brummte Sutter. »Was lässt Fels zerlaufen wie Honig?«
    Tahn ließ unbewusst den Bogen ein wenig sinken, während er den Boden nach etwas absuchte. Rechts von ihm schimmerte ein kreisrundes Fleckchen Erde in dem matten Licht, das durch die Aschewolken drang. Tahns Herz machte einen Satz. Mit vier

Weitere Kostenlose Bücher