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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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den Unterschied zwischen seinem eigenen Leben und dem der Familie nachzusinnen, deren Haus er sich näherte.
    Er ging weiter.
    Ein schmaler Weg mit einem dürftigen Tor markierte den Hof, auf den er zugehalten hatte. Er ging den Pfad entlang, das Kind fest an die Brust gedrückt und fast ganz mit seinem schlichten, von der Sonne zerschlissenen Umhang bedeckt. Gleich darauf erreichte er die Stufen auf der Rückseite des Wohnhauses.
    Stets klopfte er nur an die Hintertür (wenn er überhaupt anklopfte), weil Frauen und Männer, die sich ihren Lebensunterhalt mit Schweiß auf der Stirn verdienten, selten an der Vordertür erschienen. Das Leben drehte sich um die Angeln der Hintertür – der Küche am nächsten, dem Herdfeuer, den Geschichten. Und obwohl einige Leute seine dezente Visitenkarte (Hintertür und sachte Fingerknöchel) nicht als solche erkannten, war es ihm wichtig, seinen Auftrag mit dem angemessenen Ernst und entsprechend diskret zu erfüllen.
    Leben – gehandelt an den Hintertüren der Welt.
    Es galt gute Geschäfte zu machen.
    Also klopfte er heute an diesen Türrahmen und ließ den harten Blick über den Hinterhof schweifen, während er das Kind, das sich zu regen begann, sacht auf dem Arm wiegte. Keine Hühner scharrten auf dem staubigen Hof, kein Vieh muhte auf der nahen Weide. Er befürchtete, diese Leute könnten nicht über die Mittel verfügen, seine Forderung zu begleichen. Aber es gab ja viele Arten der Bezahlung, und wenigstens das gab ihm ein gutes Gefühl. So viele Jahre lang …
    Die Tür wurde aufgerissen, und eine junge Frau trocknete sich die Hände mit einem Tuch an ihrem Gürtel, ehe sie seine Hand zum Gruß ergriff und sich ihm zu erkennen gab, indem sie die Münze um ihren Hals berührte, das traditionelle Abzeichen der Hügelländer. Doch ebenso sehr wie das vereinbarte Zeichen versicherte ihm der Blick, mit dem sie auf das Kind in seinen Armen hinabschaute, dass die Frau dieses Kind versorgen, lieben, erziehen und behüten würde. Auch rechnete er ihr an, dass sie sich bei diesem Blick keinerlei Überraschung, Schrecken oder Freude anmerken ließ. Der Mann nickte in sich hinein. Ihre Selbstbeherrschung kam ihr zustatten.
    Es mag doch noch gut werden .
    Die Frau schaute an ihm vorbei, ließ den Blick über den Hof und die Wiesen dahinter schweifen und trat dann beiseite, um ihn einzulassen.
    Also gingen sie hinein, der Mann und das Kind.
    Er setzte sich und ruhte nach dem langen Marsch die Beine ein wenig aus, doch hielt er den Säugling weiter in den Armen, während er das bescheidene Heim der Frau musterte. Bald kam auch ihr Mann herein, mit misstrauischem Blick – ein großer Mann mit großen Händen. Gut.
    Sie ertrugen sich eine Weile schweigend. Es gab offenbar keinen Grund, etwas zu sagen, als sei das Anliegen für seinen Besuch verkörpert und zulänglich erklärt in dem Säugling, den er im Arm hielt. Er maß das Ehepaar ohnehin eher an Ausstattung und Zustand ihres Hauses denn an irgendetwas, das sie hätten sagen können.
    Schließlich brach die Frau das Schweigen. »Kann ich Euch einen Becher Tee anbieten?«
    Der Mann mit dem sonnengegerbten Gesicht lehnte das gastfreundliche Angebot kopfschüttelnd ab. »Nein. Aber das Kind bräuchte Milch. Habt Ihr welche?«
    Zur Antwort drehte sich die Frau um und nahm einen Krug vom Tisch hinter ihr. Sie trug ihn herüber und wartete ab, bis er ihr das Kind übergab. Interessiert sah er zu, wie die Frau den Säugling in die Arme nahm, sich setzte und ihr Tuch vom Gürtel löste. Sie drehte eine Ecke fest zusammen, tauchte sie in die Milch und hielt sie dann dem Kleinen an die Lippen, als stillte sie ihn. Das Kind zögerte nicht.
    Der Mann nickte befriedigt.
    Da ergriff der Ehemann das Wort. »Wir können Euch für das Kind nicht viel bieten.«
    Der Wanderer wandte sich dem anderen Mann zu, um dessen Aufmerksamkeit ganz auf sich zu ziehen. »Was ist er Euch denn wert?« Der Hügelländer erwiderte starr seinen Blick und schien zu überlegen. Doch ehe er antworten konnte, fuhr der Wanderer fort: »Und seid Euch gewahr, dass Bezahlung nicht immer in klingender Münze erfolgt.« Die Andeutungen waren vielfältig, und der Mann ließ sie alle im bescheidenen Haus dieser Hinterwäldler in der frühen Morgenluft hängen.
    »Es wird hier ein hartes Leben haben«, erklärte der Hügelländer schließlich. »Viele … die meisten erleben das Jugendalter nicht.«
    »Eure Bezahlung ist also Ungewissheit?« Der Reisende warf wieder einen Blick

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