Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
zu.
»Ja, sie ist noch am Leben«, sagte Vendanji. »Mittlerweile ist sie älter und langsamer, aber ihre Hand ist immer noch eine eiserne Faust in einem Samthandschuh. Und man muss es ihr lassen, dass sie über ihre eigenen Grenzen hinauszublicken versucht. Wir überlassen dich deinen Wärteraufgaben, Grant, obwohl ihr Zweck sich wohl bald erfüllt haben wird.«
Vendanji ging zur Tür, dichtauf gefolgt von Mira. Braethen schloss sich ihnen an, während seine Gedanken sich überschlugen und Einzelteile zusammenzusetzen versuchten, von denen er nicht wusste, wie sie zueinander passten.
»Nach Osten, Richtung Hundsstern«, sagte Grant mit heiserer, leicht zitternder Stimme. »Eure Pferde sind schwach. Führt sie am Zügel, wenn ihr wollt, dass sie überleben. Ihr habt Wasser für drei Tage.« Er hielt inne, und die Anspannung in dem kleinen Haus war mit Händen zu greifen. »Halt die Augen auf, Fern. In den letzten beiden Nächten waren Stilletreue in der Nähe. Das Mal stellt für sie kein Hindernis mehr dar. Sichere Reise«, schloss er und starrte immer noch ins Feuer.
Vendanji trat in die Nacht hinaus. Mira blieb in der Tür stehen, um Braethen auffordernd anzusehen. Der Sodale warf einen letzten Blick auf die drei jungen Leute im Gang, den Erlass, der an die Rückwand genagelt war, und den Verbannten, der aufrecht an der kleinen Feuerstelle saß. Dann eilte er den anderen nach, während die Bruchstücke dieser neuen Geschichten schwer auf seinem Verstand lasteten.
Als sie ihre Pferde fanden, hörte Braethen Vendanji mehr als einmal fluchen. Der Sheson gab jedem Pferd ein Zweiglein und befahl den anderen dann aufzusteigen. Das Mindere Licht loderte am Nachthimmel, begleitet vom funkelnden Glanz zahlloser Sterne. Die Hitze des Tages war verflogen und hatte nur die spröde Kälte der sternklaren Nacht zurückgelassen. Braethen sah ein einziges Mal zurück und erspähte ein blasses Rechteck aus Licht, das durchs Fenster des Hauses des Verbannten fiel, so dass der schwache Schein auf dem Boden neben der Hütte ruhte. Vendanji schwang sich aufs Pferd und ritt im Galopp davon. Mira vergewisserte sich, dass Braethen in der Nähe blieb, und folgte ihm dann. Aber Braethen zögerte auf Roley und fragte sich, ob ein Dutzend Geschichten und der starke Arm dieses Grant zurückblieben, um für immer in der zeitlosen Ödnis des Mals zu verrotten. Er berührte die Satteltasche, die Ogeas Bücher enthielt, und nahm sich vor aufzuschreiben, was er wusste, wenn er denn die Zeit dazu fand; dann eilte er dem Dreiring und dem Flinkfuß nach.
Tausend Schritte weiter, von wo aus Grants Haus nicht mehr zu sehen war, machte Vendanji halt, sprang aus dem Sattel und warf einen raschen Blick zum Himmel; Braethen vermutete, dass er nach dem Hundsstern Ausschau hielt. Der Sheson ging mit schnellen, ruckartigen Bewegungen weiter, ohne sich zu vergewissern, ob Braethen und Mira ihm folgten, oder sich auch nur um sein Pferd zu kümmern, das ihm gehorsam in ein paar Schritten Abstand nachlief. Mira reichte Braethen die Zügel ihres Pferdes und verschwand in der Dunkelheit, bevor es Braethen einfallen konnte, etwas zu sagen.
Sie wanderten eine Stunde weiter, Vendanji entschlossenen Schrittes, Mira als verschwommene Bewegung, die nur alle paar Minuten an den Rändern von Braethens Gesichtsfeld auftauchte. Eine übernatürliche Stille lag über den Felsen und dem ausgedörrten Gras und wurde von den Geräuschen ihres Vorüberkommens kaum durchbrochen. Nur der saubere Duft nach Salbei und ein leichter Schweißfilm auf seiner Oberlippe verschafften Braethen die Gewissheit, dass er nicht träumte.
Plötzlich blieb der Sheson stehen. Er drehte sich im Kreis und suchte das Gelände um sie herum ab. Die Kälte machte ihnen nun schwerer zu schaffen, da der Frost sich aus den großen Lücken zwischen den Sternen auf sie herabsenkte.
Verbundenheit.
Das war das Gefühl. Braethen öffnete sich ihm versuchsweise und spürte ganz plötzlich, dass vom entferntesten Stern über ihm bis zum Boden unter ihm eine Art Verbindung bestand. Dass jede Bewegung jedem anderen bekannt war, als würde man in einem stillen Teich schwimmen und durch die Wellen, die man schlug, seine Anwesenheit verraten. Sich zu bewegen bedeutete, das große Ganze zu stören, aber Vendanji schritt weiter, eine Hand an die Brust gehoben. Argwöhnisch legte Braethen die Finger um den Schwertgriff, erinnerte sich an das letzte Mal, als er die Waffe erhoben hatte, um sich selbst zu
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