Das Gift der Drachen Drachen3
jetzt Folgendes: Ich werde alle Escoas in diesen Stallungen satteln, und dann werden wir sie hier wegfliegen, du und ich.«
Ich drehte ihn zu mir herum. Er hatte die Augen weit aufgerissen, und seine Ohren standen wie kleine Flügel von seinem Kopf ab. Mit einem Nicken deutete ich auf sein zerschnittenes Gewand. »Das ist das Abzeichen eines Botenschülers. Hast du schon einmal eine Escoa geflogen?«
Er nickte.
»Sind hier auch Escoas von anderen Brutstätten untergebracht?«
Wieder nickte er.
»Wie viele? Eine? Oder zwei?«
Ich musste mich vorbeugen, um seine gehauchte Antwort verstehen zu können. »Zwei.«
Das war alles andere als ideal. Drachen zu stehlen, die einer anderen Brutstätte gehörten, war sehr unklug. Denn es bedeutete, dass die Boten, die am nächsten Morgen oder in den nächsten Tagen wegfliegen wollten, in ihren Heimatstallungen vermisst würden, wenn sie nicht kamen.
Keine Halbheiten .
Ich überprüfte die Knoten von Ryns Fesseln. Sie saßen alle fest. Anschließend schob ich ihm den Knebel in den Mund und band ihn fest. »Und jetzt nach draußen. Ich werde dich an eine Stalltür binden, während ich die Escoas sattle, kapiert? Aber vorher werde ich mich um den da kümmern, falls er aufwacht.«
Ich nahm einen schweren Kerzenleuchter von einem wackligen Tisch in der Ecke der Kate, blieb einen Moment vor der Hängematte des Säufers stehen und sah zu, wie ihm der Speichel über die schlaffe, unrasierte Wange rann. Mein Herz schlug so rasend schnell und hart, dass der Kerzenleuchter in meiner Hand unter meinem Pulsschlag zu vibrieren schien.
Ich brauchte nichts weiter zu tun, als zuzuschlagen. Anlass hatte ich dafür gewiss genügend, angesichts der Spuren der Misshandlungen auf Ryns Körper. Aber es fiel mir schwer, einen Schlafenden bewusstlos zu schlagen, wie widerlich er auch sein mochte. Ich hoffe, das sagt wenigstens etwas Gutes über mich aus.
Dennoch hinderten mich diese Skrupel nicht daran, dem Mann den Messingleuchter in dem Moment gegen die Schläfe zu hämmern, als er meine Anwesenheit spürte und träge die Augen aufschlug. Der Leuchter krachte dumpf gegen seinen Kopf.
Heftig zitternd ließ ich den Kerzenleuchter fallen und fesselte mit einem der Zügel, die ich um den Hals trug, dem Betrunkenen Hände und Füße. Dabei schlang ich das Leder durch die Löcher in seiner Hängematte, so dass er nicht würde aufstehen können, wenn er erst wach geworden war. Als ich ein Stück von seinem Wams abschnitt, um ihn zu knebeln, spielte ich kurz mit dem Gedanken, ihn bei dieser Gelegenheit gleich zu kastrieren, nahm jedoch Abstand von dieser Idee. Ihre Durchführung war mir zu blutig.
Ryns Angst vor mir schien gewachsen zu sein, nachdem ich den Betrunkenen gefesselt hatte; er zitterte, als ich seinen knochigen Ellbogen packte und ihn hinausführte.
Draußen roch es nach modrigem Schlamm. Der kühle Wind hatte noch weiter aufgefrischt. Die Wolken wirkten wie aufgedunsene Kadaver in zerfetzten Lumpen, die auf einem Fluss aus Sternen trieben.
Wir überquerten den langen, schmalen Hof. Ryn zuckte zusammen, als ich ihn gegen das kühle Gitter einer Stallbox schob, und zitterte, während ich ihn daran fesselte. Die Escoa in dem Stall trat unbehaglich von einem Bein aufs andere, aber sie war nicht beunruhigt. Noch nicht.
»Ich werde dir nichts tun, Ryn. Und ich verspreche dir, dass ich dich eines Tages zu diesen Stallungen zurückbringe.«
Er schlug die Augen nieder. Er glaubte mir nicht, war den Tränen nahe. In der Ferne donnerte es, und das Grollen rollte über die Steppe.
Ich öffnete den Stall, hob den eisernen Riegel behutsam aus seiner Halterung, um jedes verräterische Geräusch zu vermeiden. Während ich beruhigend auf die Escoa einsprach, stieß ich die Stalltür auf. Ryn, der daran gefesselt war, musste unbeholfen in den Stall tippeln, als das Gitter einwärts schwang. Ich trat ein und knotete das Messer auf Hüfthöhe an meinem Bitoo fest, bevor ich mich mit vor Nervosität schweißnassen Händen ans Werk machte.
Einer Drache, beschütze mich. Lass niemanden in diesen Hof kommen, nicht jetzt.
Ich schraubte einen Knopf vom Ende der Nasenhantel am Zaumzeug, das über meinem Hals hing. Eine Hand legte ich fest auf die Schnauze der Escoa und schob die Stange durch das Loch, das man in den Panzer zwischen ihren Nüstern gebohrt hatte. Dann schraubte ich den Knopf auf der anderen Seite wieder an der Hantel fest, schob der Escoa rasch die Lederriemen des Zaumzeugs über die
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