Das Gift von Argus
sie zum alten Eisen kommt.«
Mirlena fragte überrascht: »Sie wollen sie ausschlachten?«
Kwango nickte. »Das habe ich auf der Erde gehört. Es entsteht schon eine größere, flinkere auf dem Zeichenbrett. Außerdem arbeiten die klugen Jungs an einem schnelleren Materietransmitter.«
»Weiß Conrad davon?«
Kwango zuckte die Schulter. »Keine Ahnung, Baby. Er hat es nicht erwähnt. In seiner Nähe möchte ich jedenfalls nicht sein, wenn er die offizielle Benachrichtigung bekommt.«
Mirlena sah etwas langes Dünnes, Blaugrünes im Gras liegen, das ein wenig wie Draht oder Nylonschnur aussah. Sie stupste mit der Stiefelspitze dagegen. Nichts tat sich. Eine weitere »Schnur« lag in der Nähe. Auch sie rührte sich nicht, als sie sie stupste. Fast sicher waren diese Fäden organischer Natur, vielleicht eine Gras- oder Fungusart, aber sie sahen leblos aus.
»Kurt, sieh dir das an!« forderte sie ihren Begleiter auf.
Kwango kniete sich nieder. »Das sind ja eine ganze Menge, die sich da im Gras versteckt haben. Sie sind nicht ganz parallel. So, wie sie liegen, nehme ich an, daß sie von einer Art Nabe ausgehen. Vermutlich sind sie alle Teil einer einzigen Pflanze.«
Mirlena kauerte sich neben ihn. »Ich nehme eine Probe zum Schiff mit und gebe sie unter das Mikroskop.« Doch obwohl die Fäden sehr dünn waren und zerbrechlich wirkten, konnte sie keinen abreißen.
Auch Kwango versuchte es vergebens. » Wenn dieses Zeug organisch ist, ist es wirklich sehr zäh. Da muß ein Zweck dahinterstecken.« Schließlich gelang es ihm doch, ein Stück mit seinem Taschenmesser mehr abzusägen, als abzuschneiden.
Mirlena steckte es in die Tasche ihres Overalls. »Danke. Es ist schlaff, biegsam und so fest wie ein Stahlkabel. Da haben wir schon ein Rätsel dieses Planeten.« Sie zog an einem anderen dieser Fäden und hob ihn aus dem Gras hoch. Er wuchs aus etwas, das wie ein kleiner blauer Pilz, etwa drei Meter entfernt, aussah. Während sie zog, vertiefte sich sein Blau.
Auch Kwango hob einen Faden hoch und zog. Das Blau wurde noch dunkler.
»Kurt, das ist eine ungemein komplexe Pflanze!« rief Mirlena aufgeregt. »Das Interessanteste, auf das wir heute gestoßen sind. Ich möchte die ganze Pflanze zur Untersuchung mitnehmen.«
»Wenn die Wurzeln nur halb so zäh wie diese Fäden sind …«, sagte Kwango, der sich vergebens bemühte, seinen Faden abzureißen oder den »Pilz« auch nur ein bißchen zu erschüttern. »… werden wir unsere Schwierigkeiten haben. Das Ding sieht hart wie Stein aus. Ich rufe einen Roboter, daß er das Ganze heraushebt.«
»Unsinn!« protestierte Mirlena. »Ein Roboter würde es viel zu sehr beschädigen. Ich sehe keine weiteren in der Nähe, also müssen wir ganz vorsichtig mit dem da sein. Ich schaue es mir näher an. Vielleicht läßt sich wenigstens ein Segment lösen.«
Der »Pilz« schien fast leuchtend blau zu werden, als sie über den immer dichter werdenden Fadenteppich stieg.
»Mirlena!« Kwangos Stimme klang leicht besorgt. »Ich glaube, wir sollten es mit Fernbedienung …« Die weiteren Worte erstarben ihm auf den Lippen.
Als Mirlena den Pilz erreichte, war eine heftige Bewegung zu spüren. Kwango wurde fast umgeworfen, als die paar Fäden, auf denen er stand – mit den Hunderten von weiteren, die aus der rätselhaften Pflanze wuchsen –, wie Peitschenstränge zurückschnellten und sich so eng um Mirlena wickelten, daß es aussah, als wäre sie von einem perfekt geformten Kokon aus feinem blaugrünem Draht umgeben.
Sie schrie. »Kurt! Hilf mir! Hilf mir – ugh!« Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, ihre Augen rollten, ihr Mund öffnete sich und die Zunge hing blau heraus. Hoffnungslos kämpfte sie um Atem, als die Fäden sich immer enger zuzogen und die Luft aus ihrer Lunge quetschten.
Verzweifelt versuchte Kwango die Fäden mit den Fingern loszureißen, aber das war unmöglich.
Mirlena schnappte ein letztes Mal nach Luft, dann schlossen sich ihre Augen, und ihr Kopf kippte nach vorn. Der Kokon aus Fäden reichte bis zu ihren Schultern, der Hals war gerade noch frei davon. Obgleich sie nun bewußtlos war, hielt die Pflanze sie aufrecht und die Fäden wanden sich noch enger um sie.
Kwango verschwendete keine Zeit mehr damit, die Fäden lösen zu wollen, sondern griff nach seinem Lasergewehr. Aber er konnte den Kokon nicht durchbrennen, ohne das Mädchen zu verletzen. Ein paar Sekunden vergingen, ehe ihm bewußt wurde, daß sie auf den Kopf des Pilzes gehoben worden
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