Das Gift von Argus
mich kennenlernen, James Conrad. Ich bring’ dich um!«
»Das dürfte interessant werden«, entgegnete er lachend. »Ich habe Ihre Position. Matthew hat uns beide auf dem Schirm. Wir sind jetzt auf Kollisionskurs. Er schätzt, daß wir uns in siebzehn Minuten treffen.«
Indira steigerte ihr Tempo weiter. Hastig warf sie einen Blick über die Schulter. Die Piranhawolke war etwa vierhundert Meter hinter ihr, holte jedoch auf.
Der Blick zurück war ein Fehler gewesen. Sie fiel in einen Graben. Bis sie wieder weiterlaufen konnte, vergingen kostbare Sekunden und die Insekten waren bereits zweihundert Meter näher.
»Sind Sie noch da, Leutnant?« erkundigte sich Conrad.
Indiras Rippen schmerzten, ihr Hals und ihre Arme, und an ihren Rücken mochte sie gar nicht denken. Aber krächzen konnte sie noch:
»Ich – ich bin – noch nicht – ganz tot.«
»Matthew überwacht Sie«, sagte Conrad kalt. »Er meldet, daß Sie dahinschlendern und Rast gemacht haben, um Blumen zu pflücken. Ihre Blechbeine sind also gar nicht so aufregend. Ich erinnere mich, daß sie im Bett sogar geknarrt haben.«
»Du – du gemeiner …« Sie konnte nicht mehr weiterreden. Tränen strömten über ihr Gesicht. Ihr Kopf pochte. Schleier schoben sich vor ihre Augen. Die Schmerzen waren ihr bereits egal. Es würde nun nicht mehr lange dauern.
Eine steile Erhebung lag etwa zwei Kilometer voraus. Ihre Blechbeine würden sie leicht schaffen, wenn sie selbst durchhielt. Aber sie wußte, daß sie gar nicht mehr so weit kommen würde. Die Schleier vor ihren Augen verdunkelten sich. Sie stürzte, doch irgendwie kam sie wieder hoch und vergeudete auch keine Zeit mit einem Blick zurück.
»Wir sind immer noch auf Kollisionskurs. Also lauf endlich ordentlich, du frigide dumme Gans!«
»Bastard!« schrie sie. »Bastard! Bastard!« Doch Conrad konnte es nicht mehr hören, denn sie hatte, ohne es zu merken, ihr Sprechgerät fallen gelassen.
Der Hügel war nun nur noch einen Kilometer entfernt. Sie zwang sich dazu, es zu schaffen. Völlig vernunftwidrig sagte sie sich, daß es besser wäre, auf einem Berg zu sterben. Das Pochen in ihrem Kopf schien ihr nun so laut wie Donner zu sein. Die Arme hingen ihr schlaff hinunter. Die Schleier vor ihren Augen verdichteten sich wieder. Aber wundersamerweise gehorchten ihre Beine ihrem festen Willen.
Da sah sie Conrads Exo. Mit gewaltigen Sätzen kam es über den Hügel und geradewegs auf sie zu.
Lachend und weinend, ächzend und schreiend, schaffte sie einen weiteren halben Kilometer. Dann machten ihre Lunge, ihr Herz, ihr Gehirn nicht mehr mit. Die Wunderbeine wurden langsamer. Sie torkelte wie betrunken und fiel aufs Gesicht.
Conrad machte einen phantastischen Sprung über sie – einen Vierzigmetersprung, der das Exo mit neunzig Stundenkilometer und tödlicher Genauigkeit gegen die verfolgende Wolke schmetterte. Es klang wie ein Hagelsturm, als die Piranhalibellen daran zerschellten.
Zu Tausenden starben sie. Conrad wirbelte herum und blickte zu der bewußtlosen Indira. Keines der Mordinsekten hatte sie bis jetzt erreicht. Vielleicht bemühten sie sich noch, zu ergründen, was passiert war.
Conrad drosch mit den Exoarmen um sich. Sie schnitten durch die schwarze Wolke und wurden zu Vernichtungswaffen. Der Boden zu seinen Füßen war bereits dicht mit zermalmten, verletzten und betäubten Piranhalibellen bedeckt. Und während seine Exoarme durch die Luft schlugen, sprang er auf und ab und stampfte Hunderte der Insekten in den Boden.
Das Gruppengehirn, falls die Piranhalibellen tatsächlich eines hatten, erkannte, wann sie genug hatten. Jedenfalls erhob sich die Wolke – was von ihr übrig war – hastig über Conrads Exokuppel, als überlege sie, was sie jetzt unternehmen könne. Zehn Meter über seinem Exo sammelte sie sich.
Conrad überlegte nicht lange. Er duckte sich und machte zum erstenmal einen Exosprung, der selbst Kwango vor Neid hätte erblassen lassen. Das Exo schoß hoch wie eine Rakete und schmetterte erneut gegen die Wolke, und um die Wirkung zu verstärken, drosch Conrad wieder mit den Exoarmen um sich. Tausende der Insekten hagelten tot auf den Boden.
Die Überlebenden hatten nun endgültig genug. Bisher waren sie die Herren des Planeten gewesen. Alles hatte vor ihnen gezittert. Sie hatten mit ihren Opfer gespielt, sie gehetzt und bis auf die Knochen abgenagt. Doch nun war etwas Neues hier. Etwas, an das sie nicht herankamen. Etwas, das mit ungeheurer Geschwindigkeit zurückschlug und
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