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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Mühe gibt, einen Dreizehnjährigen durch leutseligen Kameradenton und leise Begönnerung zu berücken, so wird ihm das ja wohl immer gelingen. Josef wurde in seinen ersten Tagen vom Mentor durchaus als Gast behandelt, von dem man wünscht, er möge, sollte er etwa schon morgen wieder abreisen, vom Hause und vom Gastgeber einen guten Eindruck mitnehmen. Josef wurde in die Schlafstube geführt, die er mit zwei andern Knaben teilen sollte, er wurde mit Zwieback und einem Becher Fruchtsaft bewirtet, es wurde ihm das »Haus Hellas«, eine der Wohnparzellen des großen Rechtecks, gezeigt, es wurde ihm gezeigt, wo er im Luftbad sein Handtuch aufhängen und in welcher Ecke er Topfblumen halten könne, falls er dazu Lust habe, er wurde auch noch vor Abend zum Waschmeister ins Waschhaus geführt, wo man ihm einen blauen Leinenanzug aussuchte und anpaßte. Josef fühlte sich vom ersten Augenblick an wohl am Ort und ging vergnügt auf Oskars Ton ein; kaum war eine leise Verlegenheit an ihm zu spüren, wennschon der Ältere und schon längst in Kastalien Heimische natürlich ein Halbgott für ihn war. Auch die gelegentlichen kleinen Renommistereien und Schauspielereien gefielen ihm, etwa wenn Oskar ein kompliziertes griechisches Zitat in seine Rede flocht, um sich dann sofort höflich zu erinnern, daß der Neue
ja freilich dies noch nicht verstehen könne, natürlich nicht, wer wollte das auch von ihm verlangen!
    Im übrigen war für Knecht das Internatsleben nichts Neues; er ordnete sich ohne Mühe ein. Es sind auch aus seinen Eschholzer Jahren wichtige Ereignisse nicht überliefert; den furchtbaren Brand im Schulhause kann er nicht mehr miterlebt haben. Seine Zeugnisse, soweit sie noch aufzufinden waren, zeigen in der Musik und im Latein gelegentlich die höchsten Zahlen, in Mathematik und Griechisch hielten sie sich etwas über dem guten Durchschnitt, im »Hausbuch« finden sich je und je über ihn Eintragungen wie »ingenium valde capex, studia non angusta, mores probantur« oder »ingenium felix et profectuum avidissimum, moribus placet officiosis«. Welche Strafen er in Eschholz empfing, läßt sich nicht mehr feststellen, das Strafenbuch ist mit so vielem andren dem Brand zum Opfer gefallen. Ein Mitschüler soll später versichert haben, Knecht sei in den vier Eschholzer Jahren nur ein einziges Mal (durch Entzug des Wochenausfluges) bestraft worden, und zwar, weil er sich hartnäckig geweigert habe, den Namen eines Kameraden anzugeben, der etwas Verbotenes getan hatte. Die Anekdote klingt glaubhaft, Knecht war ohne Zweifel stets ein guter Kommilitone und niemals liebedienerisch nach oben; daß aber jene Bestrafung wirklich in vier Jahren die einzige gewesen sei, ist doch recht wenig wahrscheinlich.
    Da wir an Dokumenten über Knechts erste Eliteschulzeit so arm sind, ziehen wir eine Stelle aus seinen spätern Vorlesungen über das Glasperlenspiel heran. Allerdings liegen von Knecht eigene Manuskripte zu diesen für Anfänger gehaltenen Vorlesungen nicht vor, ein Schüler hat sie nach seinem freien Vortrag stenographiert. Knecht spricht an jener Stelle über Analogien und Assoziationen im Glasperlenspiel und unterscheidet bei den letztern zwischen »legitimen«, das heißt allgemeinverständlichen, und »privaten« oder subjektiven Assoziationen. Er sagt dort: »Um euch ein Beispiel für diese privaten Assoziationen zu geben, welche ihren privaten Wert dadurch nicht verlieren, daß sie im Glasperlenspiel unbedingt verboten sind, erzähle ich euch von einer solchen Assoziation aus meiner eigenen Schülerzeit. Ich war etwa vierzehn Jahre alt, und es war im Vorfrühling, im Februar oder März, da lud ein Kamerad mich ein, eines Nachmittags mit ihm auszugehen, um ein paar Holunderstämmchen zu schneiden, die wollte er als Röhren beim Bau einer kleinen Wassermühle benutzen. Wir zogen also aus, und es muß ein besonders schöner Tag in der Welt oder in meinem Gemüt gewesen sein, denn er ist mir im Gedächtnis geblieben und hat mir ein kleines Erlebnis gebracht. Das Land war feucht, aber schneefrei, an den Wasserläufen grünte es schon stark, im kahlen Gesträuch gaben Knospen und erste aufbrechende Kätzchen schon einen
Hauch von Farbe, und die Luft war voll Geruch, einem Geruch voll Leben und voll Widerspruch, es duftete nach feuchter Erde, faulendem Laub und jungen Pflanzenkeimen, jeden Augenblick erwartete man schon die ersten Veilchen zu riechen, obschon es noch keine gab. Wir kamen zu den Holundern, sie hatten winzige

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