Das Glück reicht immer für zwei
an.
»Ich würde nicht auf unsere Chancen bei den Ladys wetten, wenn sie hören, dass wir uns die Delphi-Suite teilen«, sagte Leo. »Sie verfügt nämlich über ein herzförmiges Kingsize-Bett.«
»Na ja, das müssen wir ihnen ja nicht unbedingt erzählen«, sagte Mike.
Plötzlich lachte Leo. »Würde trotzdem gern die Gesichter der Leute sehen, wenn wir gemeinsam auftauchen.«
»Ich bin zwar dein Freund, aber alles hat seine Grenzen«, sagte Mike. »Du ziehst das auf eigene Faust durch. Jedenfalls solltest du wirklich fahren und dich endlich mal wieder amüsieren. Ob mit oder ohne Sex.«
Hier bin ich also, dachte Leo. Und gleich an meinem ersten Abend habe ich mit zwei ungebundenen Frauen diniert. Mike wäre stolz auf mich. Auch wenn ich jetzt allein in meiner Kabine bin und eine Flasche Champagner schlürfe und langsam betrunken werde. Nicht gerade die Art und Weise, wie ich meine Zeit verbringen wollte. Er blätterte durch die Broschüre, um sich zu vergewissern, dass das Unterhaltungsangebot reichhaltig genug war, um ihn davon abzuhalten, vierzehn Tage im Dauerrausch zuzubringen. Und das war es. Da waren zum einen die Landausflüge. Leo war noch nie in der Karibik gewesen, doch alle hatten ihm vorgeschwärmt, wie großartig es sei und dass es keinen besseren Flecken auf der Erde gebe, um sich zu entspannen. Am meisten interessierten ihn die touristisch weniger entwickelten Inseln und Orte wie Costa Rica oder Guatemala – bestimmt waren auch sie einen Besuch wert, jedenfalls würde es lehrreich sein. Und dann gab es natürlich eine Reihe von Vorträgen und Workshops – die Blue-Lagoon-Reederei brüstete sich mit den hochkarätigen Dozenten, die auf ihren Kreuzfahrten mitreisten. Einmal war sogar Quentin Tarantino (oder ein anderer Regisseur seines Kalibers, Leo konnte sich nicht mehr genau erinnern) an Bord gewesen und hatte Einblicke in die Welt der Filmindustrie gewährt. Ein andermal war eine berühmte
Opernsängerin mit von der Partie gewesen, und wieder ein andermal sogar ein Friedensnobelpreisträger. Auf der vorigen Kreuzfahrt war die Attraktion auf der Aphrodite ein berühmter Sternekoch, der Kochkurse abhielt. (Nicht dass Leo Bedarf dafür gehabt hätte, er war stolz auf seine Kochkünste.) Und einmal hatte es sogar Vorträge von einem amerikanischen Expräsidenten gegeben – gewiss das obere Ende des Angebots, dachte Leo.
Bei der Valentins-Kreuzfahrt indes ging es nicht ganz so hochkarätig zu. Die Hauptrednerin war eine Romanautorin, von der Leo noch nie gehört hatte. Er presste die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Aber natürlich, er hatte sie ja sogar kennengelernt. Sie war eine der beiden Frauen an seinem Tisch gewesen. Himmel, wie habe ich das nur vergessen können?
Wie auch immer, sie erfüllte nicht ganz seine üblichen Kriterien für eine Frau, die er vögeln wollte. Er mochte Brünette, nicht Blondinen. Außerdem bevorzugte er fröhliche Frauen, die auf andere Menschen zugingen. Die Romanautorin schien eher verschlossen zu sein. Sie hatte kaum etwas gesprochen. Im Gegensatz zu der jüngeren Frau, die sie begleitete. Die sah definitiv besser aus, dafür quatschte sie einem ein Ohr ab. Jedenfalls erfüllte sie schon eher die bestimmten Kriterien. Falls er das tatsächlich wollte.
Leo wusste, dass der Alkohol allmählich die Kontrolle übernahm, da seine Gedanken zunehmend zusammenhangslos wurden und immer mehr in Richtung Sex abwanderten. Wenn er betrunken war, hatte er immer Sex im Kopf (nicht dass das eine Hilfe gewesen wäre).
So, so, eine Liebesromanautorin, dachte er. Sozusagen die Attraktion dieser Kreuzfahrt. Und ein Musiker. Oder Dirigent. Er erinnerte sich vage, in der Broschüre etwas über einen Dirigenten gelesen zu haben. Oder war es eine Sängerin? Er brachte es nicht mehr zusammen.
Das Schiff neigte sich kaum merklich zur Seite, und Leo geriet
ins Straucheln. Zeit, ins Bett zu gehen, sagte er sich. Ich brauche dringend Schlaf.
Er stellte die halb leere Champagnerflasche in die Balkonecke und das Glas dahinter. Irgendwie schaffte er es trotz seines benebelten Zustands, kurz zu erwägen, ob es eine gute Idee wäre, beides in die Kabine mitzunehmen. Und kam zu dem Schluss, dass Glas und Flasche im Freien besser aufgehoben waren.
In der Kabine war es so kalt, dass er beinahe wieder hellwach wurde. Aber es war nur vorübergehend. Er ging zu dem herzförmigen Bett, ließ sich auf die rosa Tagesdecke plumpsen und fiel, noch immer in seinem flauschigen
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