Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
Jedenfalls nach dem Sommer, wenn es wieder kühler würde. Wenn die Transportsaison vorbei war. Wenn wir entspannt feiern und herrlich lange Flitterwochen ohne den Stress der Rancharbeit genießen konnten. Unsere Hochzeit war noch Monate entfernt, aber das war in Ordnung für mich. Ich würde ohnehin so lange brauchen, um alle Einladungen an seine Seite der Familie zu schreiben, bei all den Cousins und Cousinen, Onkeln, Tanten und entfernten Verwandten, die sämtlich in einem Umkreis von achtzig Kilometer zu wohnen schienen und auf jeden Fall die erste Hochzeit in Marlboro Mans Familie mitfeiern wollten – einer Familie, die vor gut zehn Jahren vom tragischen Tod des ältesten Sohns erschüttert worden war. Und ich würde so lange brauchen, um mich von meinem alten Leben zu trennen, die Nabelschnur zwischen meinem ehemaligen und meinem zukünftigen Ich zu kappen.
In der Zwischenzeit hatte sich die Nachricht von unserer Verlobung unter den 35000 Einwohnern meiner Heimatstadt herumgesprochen, was zu einem nicht geringen Teil meinem Bruder Mike und seiner patentierten Megaphonmethode geschuldet war, der unsere Verlobung am Vortag in der Mall und über die Telefonleitungen herausposaunt hatte. Meine Heimkehr nach der Zeit in Los Angeles war durchaus bemerkenswert gewesen, da ich immer so getan hatte – manchmal sogar demonstrativ –, als gehörte ich in ein großzügigeres, kosmopolitisches Umfeld. Dass ich nun meine in L.A. erstandenen schwarzen Pumps an den Nagel hängte, um auf eine abgelegene Ranch mitten ins Nichts zu ziehen, ließ so einige Augenbrauen hochschnellen. Fast konnte ich die Leute tuscheln hören:
»Was, Ree will heiraten?«
»Im Ernst? Ree heiratet einen Rancher?«
»Sie will auf dem Land leben?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ree auf ein Pferd steigt.«
»Sie ist die Letzte, die ich mir auf einer Ranch vorstellen kann.«
»Was ist denn aus ihrem Freund in Kalifornien geworden?«
Auf der Hälfte der Fahrt klingelte mein Autotelefon. Es war meine Schwester Betsy, die seit vierundzwanzig Stunden zu Besuch zu Hause war.
»Mom hat gerade Carolyn in der Geschenkboutique getroffen«, lachte Betsy. »Carolyn meinte, sie hätte gerade von deiner Verlobung gehört und könnte es wirklich nicht fassen, dass ausgerechnet du auf dem Land wohnen willst …« Wir mussten beide lachen, weil wir wussten, dass wir so was von nun an öfter hören würden.
Ich konnte den Leuten ihre Zweifel nicht verübeln. In Wahrheit wusste ich selbst nicht, ob ich es schaffen würde. Landleben? So viel Zeit ich auch bei Marlboro Man verbracht hatte, die Wirklichkeit des bäuerlichen Alltags war immer noch ein Buch mit sieben Siegeln für mich. Ich schloss kurz die Augen und versuchte, meine Zukunft – in einem bisher nicht näher definierten Haus, wahrscheinlich am Ende einer bisher nicht näher definierten staubigen Zufahrt, weit entfernt von Restaurants, Geschäften und Kosmetikabteilungen – mit meiner städtischen, verhätschelten, selbstbezogenen Gegenwart in Einklang zu bringen. Was würde ich Tag um Tag tun? Wann würde ich aufstehen müssen? Wären Hühner in der Nähe? Obwohl ich schon seit längerem mit Marlboro Man zusammen war, hatte ich noch keine Nacht bei ihm verbracht … Ich war noch nie morgens zusammen mit ihm aufgewacht und hatte zugesehen, wie es so ablief, wenn er aufstand. Ich konnte mir nicht vorstellen, was ich morgens mit ihm tun sollte. Würde ich vor seinen Augen Cornflakes essen oder besser warten, bis er ins Büro gefahren war? Moment mal – Büro war ja nicht. Würde ich mit ihm arbeiten gehen oder tagsüber seine Klamotten auf dem Waschbrett schrubben und sie anschließend auf der Wäscheleine aufhängen? Wo kämen Trocknertücher ins Spiel? Sobald ich stillsaß, begannen meine Gedanken zu wandern. Und alle Stereotype, die ich je übers Landleben gehört hatte, trieben wie ein kleiner Fischschwarm durch meinen Kopf. Aus irgendeinem Grund war ich völlig außerstande, sie abzuschütteln.
Schließlich traf ich zu Hause ein. Betsy war mit Freundinnen von der Highschool unterwegs, und als ich in die Küche ging, stand es vor mir: das Problem in unserer Familie. Die Tür zum Fernsehraum war geschlossen, dahinter waren meine Eltern. Die Luft war zum Schneiden dick. Ich konnte buchstäblich vor mir sehen, was normalerweise unsichtbar bleibt: Anspannung, Streit, Konflikt, Schmerz. Mir wurde klar, dass ich eine gespaltene Persönlichkeit war: aufgeregt und euphorisch wegen meiner
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