Das Glück von Brins Fünf
nicht deutlich. Ich sang und sagte, ich könne die Frage nicht hören.“
„Du hast gesungen“, fragte Taucher.
„Ich sang in meinem Kopf“, sagte Narneen. „Hast du das noch nie getan? Es blockiert Fragen. Dann fragten sie freundlich nach allem, was wir täten … ich gab allerlei Webereien und das Jagen und das Spielen von Harfenmusik zu. Ich hoffe, das war nicht falsch …“
„Natürlich nicht“, sagte Brin, „du hast dich richtig verhalten.“
„Aber da war noch etwas“, sagte Narneen. „Sie fragten, ob ich lesen könne, und ich antwortete wahrheitsgemäß, daß ich die gewebte Schrift und teilweise die geschriebene lesen könne. Dann fuhren sie fort … ich gab zu, daß meine Fünf Botschaftsbänder lesen und weben könne. Und sie fragten mich nach der Herstellung von Bildern, Zeichnungen, in blauer Tinte auf weißem Weidenpapier.“
Zum erstenmal zitterte Narneens Stimme, und ihre Oberlippe kräuselte sich zum Weinen. „Ich sagte ja, einer von uns mache solche Zeichnungen. Dann sang ich und wollte nicht mehr antworten, denn ich erinnerte mich …“
Taucher stieß bestürzt etwas in seiner eigenen Sprache aus. Er trat beiseite und sprach mit Brin und Mamor, dann kehrte er zurück, um Narneen zu trösten, ihr zu versichern, daß sie nichts Böses angerichtet hatte. Wir verstanden es alle mehr oder weniger; ich sah uns beim Schneesturm in der Höhle am Steinbach, wo wir Taucher neue Wörter beibrachten, während er uns Bilder zeichnete. Irgendwie waren diese Bilder zu dem Schreiber aus der Feuerstadt gelangt.
„Oh, sie sagten aber anderes, daß es bestätigte“, sagte Narneen traurig. „Sie buchstabierten ein Wort für mich. Sie fragten, ob ich wüßte, was M-E-N-S-C-H bedeute.“ Sie sprach die Laute in unserer Sprache … und uns fiel noch mehr ein. Taucher hatte seine eigene Rasse bezeichnet: einen Mann und eine Frau; dann ein paar Alltagsdinge: ein Zelt, einen Stuhl aus einem festen Haus, eine Art Wollhirsch; und Brin hatte es in unseren eigenen Lauten darunter geschrieben.
„Ich sagte nichts mehr“, sagte Narneen, „jedenfalls antwortete ich nichts mehr. Aber ich fragte. Die Zeugin heißt Onnar; ich fragte schnell, und sie antwortete, ehe sie an etwas anderes denken konnte. Und der Frager …“
„Kennst du seinen Namen?“ fragte Brin.
„Er ist Vel Ragan“, sagte Narneen. Sie legte sich erschöpft auf die zusammengefalteten Schlafsäcke zurück. „Er ist ein Schreiber aus der Feuerstadt Tsagul. Er war überrascht, als ich die Zeugin fragte, was sein Gesicht verbrannt habe.“
„Was erwiderte er?“ kicherte Gwin. „Ein übler Streich, ein Kind so auszuhorchen.“
„Ich glaube, er sagte, es sei ein Feuerstein gewesen … eine Klette.“ Wir erschauderten und verstummten bei der Vorstellung dieser entsetzlichen Gewalt, die uns so nahe gebracht wurde. Feuersteinkletten waren ein berüchtigter Trick von bösen Clankreaturen und beim Streit zwischen Granden, nichts für aufrichtiges Bergvolk.
Schließlich sprudelte ich hervor, während ich Tomar im Zelt wiegte. „Aber es bleibt immer noch das Geheimnis, wie sie Narneen erreicht haben.“
„Darauf weiß ich die Antwort“, sagte Taucher bedrückt. Also wurde es erklärt, und wir erinnerten uns. Taucher hatte ein Bild von Narneen gezeichnet, und Brin hatte dieses mit ihrem Namen versehen.
„Ich habe das diesem Kind zugefügt“, sagte Taucher. Wir redeten alle gleichzeitig und beruhigten ihn. Wir konnten es nicht ertragen, wenn er so sprach und sich Selbstvorwürfe machte.
„Taucher“, sagte Narneen. „Eines weiß ich … sie sprachen die Wahrheit. Sie werden uns nichts Böses antun.“
Wind war aufgekommen, so daß wir unser Segel benutzen konnten, aber das Gedränge der kleinen Boote auf dem Weg zur Messe war so dicht, daß wir überhaupt nicht schnell vorankamen. Als ich Tomar auf meinen Rücken nahm und an Deck ging, hatte sich die Landschaft um uns herum geändert. Wir segelten durch ein gezähmtes Land mit Seilzäunen und Vogelfarmen und Gemüsegärten an beiden Ufern. Ich fand Taucher am Heck neben einem schattigen Spinnerkorb sitzen, dessen Klappe er hochhob, um ihnen Sonne zu gönnen, wie Gwin es ihn gelehrt hatte. Ein alter Weber an Deck eines Vogel-Bootes rief ihm zu: „Zwei Neuausgeschlüpfte … für einen ganzen Korb guter Sonner?“
„Verzeih uns“, sagte Taucher. „Diese Schönheiten sind nicht zu verkaufen.“
„Schade“, schnatterte der Alte und wandte sich wieder seinem Flechtrahmen zu.
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