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Das glückliche Ende der Welt.

Das glückliche Ende der Welt.

Titel: Das glückliche Ende der Welt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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er schließlich bedächtig die Pfeifenspitze aus dem Mund nahm, waren sie ganz Ohr.
    »Das ist gar net schlecht«, griente er, »jetzt müßte man halt die Gesetze kennen. Ob das strafbar ist, wenn man ein paar Lumpen ausschmiert? Ich glaube net, denn da steht schon in der Bibel —«
    Was in der Bibel stand, wußte er wohl selbst nicht, denn nachdenklich rieb er sich das bärtige Kinn.
    »Was meinst du denn?« drängte der Kaspar.
    »Jetzt wissen wir ja Bescheid — und wenn du schon als Aufpasser dabei bist, könnten wir uns auch eine Scheibe abschneiden. Nur weiß ich net, was das ist: Diebstahl oder Schwindel — oder gar nix. Kann sogar sein, daß es gar keine Sünde ist.«
    Bange wandte die Burgl ein: »Wenn jetzt du auch noch Dummheiten ausspinnst, dann packt mich direkt die Angst!«
    »Kommt nur darauf an, wie wir es anfangen. Das ist Männersache. Wir nehmen ihnen ein Stückel ab, und ihr richtet die Surkübeln her. Hab ich euch net gesagt, daß wir das Fleisch auch noch kriegen?« Der Ambros lachte laut auf und fuhr fort: »Finster ist es, und wenn die auch nur den Schatten einer Uniform sehen, dann hauen die ab wie die Hasen. Ich hab die Feuerwehrmütze noch und die Bluse — und noch was hab ich.«
    An diesem Nachmittag erfuhr der Kaspar zum erstenmal, daß der Ambros unter dem Dach einen Abschraubstutzen versteckt hatte. Die Lina redete der Burgl die Angst aus und putzte die Knöpfe an der Feuerwehrbluse blitzblank, und die Männer waren in der Kammer, wo der Ambros vor dem Kaspar seine Stimme übte:
    »Haalt«, probierte er immer wieder und in verschiedener Lautstärke, und der Kaspar gab dazu seinen Rat:
    »Noch ein bisserl mehr hochdeutsch und ein wenig durch die Nase, dann erkennt dich bestimmt niemand!«
    Dazwischen lachten sie über den guten Plan und des Ambros Mühen, bis dieser schließlich näselnd und schnarrend seine Stimme fast selbst nicht mehr erkannte.
    Erst nach Jahren, als längst das Leben an der Grenze wieder normal und geordnet war, sickerte durch, was sich in jener Nacht droben beim großen Stein abgespielt hatte, denn die Beteiligten schwiegen sich darüber aus.
    Wenn auch der Himmel von Wolken überzogen war, herrschte auf dem kleinen freien Platz unweit der Grenze, wo sich der Weg zur Guglwies und die Ziehbahn hinunter auf den Lagerplatz bei Stinglreut gabelten, ein Zwielicht, das die Konturen der Bäume und Felsen scharf abzeichnete. Lange brauchte der Kaspar nicht zu warten, bis er Schritte hörte und sich die Ankommenden durch ein Zischen meldeten. Es waren die Brüder Weber.
    »Du steigst auf den Stein, und sollte die Streife kommen, dann pfeifst du und verdrückst dich. Um uns brauchst du dich net kümmern, schau nur, daß sie dich net erwischen. Paß aber auf, daß du uns net mit der Streife verwechselst. Also mach die Ohren gut auf. In einer guten halben Stunde kommen wir zurück.« Dann verschwanden sie in Richtung Grenze, und aus dem Unterholz kroch der Ambros an den Kaspar heran, um zu erfahren, welche Weisung sie ihm zugeflüstert hatten.
    »Ist recht!« kicherte er. »Steig nur hinauf auf den Stein, und wenn du merkst, daß sie da sind, dann pfeifst du, und das andere mache ich schon. Brauchst nur zu kommen, wenn sie davon sind.«
    »Und wenn sie sich wehren — haben vielleicht einen Revolver oder Prügel?« meinte der Kaspar noch einmal bedenklich.
    »Dann hau ich ab!« lachte der Ambros leise. »Um mich brauchst du dich net zu kümmern.«
    Der Kaspar verschwand, und der Ambros drückte sich nahe dem Weg an einen Stamm. Der starke Wind hatte nachgelassen. Der ausgetretene Weg schimmerte hell. Nur ein kurzes Stück war noch bis zur Grenzschneise, und er stand so, daß er die Schmuggler, wenn sie kamen, gegen den tiefgrauen Himmel sehen mußte, bevor er ihre Schritte hörte. Die Spannung ließ ihm die ziehende Kälte nicht bewußt werden, und nach langer Zeit, als er schon glaubte, daß sie nicht mehr kämen, tauchten bei der Grenze bewegte Schatten auf, und das tummelnde Geräusch näherte sich. Drei Männer und zwei Ochsen konnte er ausmachen, die es so eilig hatten, daß ihm keine Zeit mehr blieb, es sich anders zu überlegen oder darüber nachzudenken, wer der dritte Mann sein könnte. Er sprang vor, so daß sie ihn gegen den hellen Weg sehen und Mütze und Uniformknöpfe erkennen mußten, schrie sein eingelerntes »Halt« und schoß in die Luft. Es ging alles so schnell, daß der erste der Männer vor Schreck einen Luftsprung machte und, sich überschlagend, im

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