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Das glückliche Ende der Welt.

Das glückliche Ende der Welt.

Titel: Das glückliche Ende der Welt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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den Toten mit dem schwarzen Bart, den wachsbleichen Wangen und dem Loch in der Stirne.
    Auf Stinglreut lastete die Untat, als wären sie alle, die da unter den Dächern des Dorfes wohnten, mitschuldig an einem schrecklichen Geschehen, das das Leben eines Mannes auslöschte. Bestürzung, Grauen und das Mitleid mit dem Mann, den man ins Spritzenhaus gebracht hatte, ließ sie alle stumm werden, und die Totenglocke zog der Mesner so hastig und so lange, daß ihnen der klagende Ton eiskalt über die Rücken lief.
    Einer vom Dorf mußte es gewesen sein!
    Der schwarze Verdacht ging um und versuchte das düstere Geheimnis um den Tod des Försters zu ergründen. Die Dorfbotin rannte mit flatterndem Rock im Ort herum und beteuerte jedem, daß ihr Mann, der Weber, schon seit Tagen nicht mehr aus dem Haus gekommen sei. Dennoch war er der erste, den die Gendarmen zur Vernehmung holten. Staatsanwaltschaft und Mordkommission waren gekommen und hatten sich in der Gaststube des Reibenwirtes einlogiert, um hier die Leute zu vernehmen, Kriminalbeamte suchten am Tatort und im Walde. Nur der Waldhirte Schreindl konnte angeben, daß er zwei Schüsse gehört habe, die so schnell hintereinander gefallen seien, daß sie schier wie ein einziger Knall geklungen hätten.
    Dorfplatz und Straße blieben leer. Die Leute blieben in den Stuben und hielten auch die Kinder daheim zurück. Und wenn man ein schnelles Wort mit dem Nachbarn wechselte, dann ging es bedauernd um den guten Förster Greiner, der niemandem etwas getan hatte, zu allen freundlich gewesen war und immer ein Auge zudrückte, wenn die Dörfler, ohne Leseholzschein, Astholz heimbrachten und dabei auch einmal einen Dürrling absägten und mitnahmen.
    Hatte man nicht alles zu leichtgenommen? Das Schmuggeln und das Wildern? Da waren sie vom Krieg zurückgekommen, die Männer und die Burschen, hatten geglaubt, für sie gelten die Gesetze nicht mehr — und die Arbeitslosigkeit kam dazu, die Geldentwertung und die Not!
    Und nun? Einer unter ihnen war zum Mörder geworden! Wie die Sache stand, konnte jeder in den Verdacht dieser Untat kommen. Oder verdächtigte schon jeder jeden?
    Bis zu den Holzhauern in den Hochwald hinauf war am Nachmittag die schreckliche Kunde gelangt. Sie legten die Arbeit nieder und gingen heim. Der Keppl und der Thums von der Gschwend stiegen ins Dorf hinab und wollten den Förster Greiner noch einmal sehen. Die Türe zum Spritzenhaus blieb verschlossen. Sie gingen am leeren Forsthaus auf der Guglwies vorbei wieder heimwärts. Sooft der Kaspar ein Gespräch beginnen wollte, er bekam vom Ambros keine Antwort, doch plötzlich blieb dieser selbst stehen und sagte:
    »Den kenn ich, und jetzt weiß ich es bestimmt!«
    Dann fing er wieder zu gehen an.
    In der Stube des Ambros kamen sie zusammen, und der Kaspar berichtete das Wenige, das zu berichten war. »In der letzten Zeit ist es dem Förster Greiner schon vorgegangen«, behauptete die Lina, »wie oft ist er gekommen, ist da am Tisch gesessen, ohne ein Wörtl zu sagen, und ist dann wieder gegangen.«
    »Die Unruhe und die Todesahnung hat ihn schon umgetrieben. Ja, das gibt es«, seufzte die Burgl.
    Nur der Ambros beteiligte sich nicht an dem Gerede. Am Tisch sitzend, starrte er vor sich hin und brauste urdings auf: »Ich hätte es ihm sagen sollen!« Er sagte nichts weiter, und sie verstanden ihn nicht.
    Ein schweres Gewitter zog über den Grenzbergen auf. Die Blitze bildeten einen kaum verlöschenden Feuerkreis um Berg und Tal, und der Donner ließ die Holzwände zittern. Die Lina zündete die schwarze Wetterkerze an. Sie beteten einen Rosenkranz für das Seelenheil des Mannes, der drunten im Spritzenhaus unter einer Decke lag und das Toben der irdischen Elemente nicht mehr hörte.
    Es gab plötzlich einen Schlag, so heftig, daß sie glaubten, das Haus würde vom Erdboden gerissen und fortgeschleudert, und die blendende Helle in der Stube war so jäh, daß sie glaubten, die Mauern wären verschwunden und sie säßen mitten in einem höllischen Strahl und würden in der folgenden Dunkelheit hineingestoßen. Dann war damit anscheinend die Urgewalt des Gewitters gebrochen, und schwere Tropfen pochten an die Fensterscheiben.
    »Jetzt hat es eingeschlagen«, rumpelte der Ambros auf und stürzte zur Tür. Die andern rannten ihm nach und wortlos betrachteten sie das grausige Schauspiel, das sich ihnen bot. Am Waldrand hatte der Blitz in eine turmhohe, alte Pechfichte geschlagen, und diese brannte wie eine Riesenkerze.

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